Wissenschaftliches Arbeiten

Die Top 10 der Rechtschreibfehler und Stilmängel in Abschlussarbeiten: Praxistipps eines Wissenschaftslektors

Ich habe fast 10 Jahre lang als Wissenschaftslektor gearbeitet und kenne sie alle, eure Bachelorarbeiten, eure Masterarbeiten, eure Dissertationen. Nebst all den Problemen und Krisen, die euch plagen, während ihr Hausarbeiten und Abschlussarbeiten verfasst. Daher hier meine ultimative Top-10-Liste an Mängeln, die ich als Lektor immer wieder angemerkt und angestrichen habt. Nutzt die Liste für eure Seminararbeiten, für eure Deutschaufsätze, für eure Doktorarbeiten und meinetwegen auch für Liebesbriefe. Mit dieser Liste könnt ihr euch ein bezahltes Lektorat sparen und eure Abschlussarbeit selbst überarbeiten.

Fehler hin, Fehler her: Rechtschreibung wird überbewertet

Damals, um 2008, ich korrigierte als Verlagspraktikant in Berlin-Charlottenburg zum allerersten Mal Texte von nervlich angeschlagenen Doktoranden und exaltierten Autoren, waren da plötzlich überall nur noch „Fehler“: Deppenapostrophe, Kommafehler, Dass-das-Fehler, falsche Fehler. Alles falschgeschrieben. Oder falsch geschrieben? Zum Glück gab’s WhatsApp noch nicht, aber die Kommentarkultur in StudiVZ erschien meiner zarten, intellektuellen Seele schon derart degeneriert im Vergleich zu Homer, Goethe und Mann, dass ich angesichts all der LOLs, ROFLs und HDGDLs ganz blass und kränklich wurde wie Bastian Sick.

Was ich damals nicht verstand und was „Sprachkritiker“ und „Sprachbewahrer“ wie Wolf Schneider möglicherweise bis heute nicht verstehen: 

  • Jeder kann doch schreiben und kommentieren, was er will und wie er will. Das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung ist meinetwegen für Behörden verbindlich, aber nicht für dich und mich und schon gar nicht beim Chatten. Was im Duden steht, ist sowieso unverbindlich. Die Duden-Redaktion legt in weiten Teilen auch nicht fest, wie etwas geschrieben werden sollte, sondern reflektiert, wie etwas durch den Großteil der Schreibenden geschrieben wird. Der Duden hat also eher deskriptiven als normativen Charakter. Idealerweise. Anders gesagt: Wenn alle davon reden, dass etwas „Sinn macht“, dann macht das aus meiner Sicht mehr Sinn als das Gemecker von Wolf Schneider und Bastian Sick (man beachte die Zollzeichen im verlinkten Artikel, dazu weiter unten mehr).
  • Rechtschreib- und Tippfehler sind in den meisten Dissertationen, Bachelorarbeiten und Masterarbeiten das geringste Übel, zumindest in den Arbeiten, die ich tagtäglich zu lesen bekomme.
  • Anglizismen sind richtig und wichtig und ziehen unserer Sprache den verbalen Stick aus dem Ass.
  • Schriftsprache wird, das behaupte ich hiermit, überbewertet. *dramatische Pause*
    Schrift wird zum Glück immer mehr durch Ton und Bild ersetzt. Zum Glück deshalb, weil ich persönlich Lesen mittlerweile als anstrengend empfinde. Ich hocke über einen Text gebeugt in nicht sehr artgemäßer Körperhaltung, kann nebenher nichts weiter machen, verbrauche enorm viel Energie, um konzentriert zu bleiben, und das umso mehr, je schlechter ein Text geschrieben ist. Ist Schriftsprache vor dem Aus? Bitte in den Kommentaren diskutieren. 

Wie dem auch sei. Solange wir in einem solchen Ausmaß schriftlich kommunizieren, wie wir das die letzten Jahrhunderte getan haben und wie wir das wohl noch ein paar Dekaden tun werden, ist der Duden eine praktische Richtschnur und hilft uns dabei, unsere Texte anderen zugänglicher zu machen. Von daher: Daumen hoch für Duden. Nicer Dude, top Wörterbuch! Gerne wieder! 

Übrigens, sämtliche Fehler, die ihr in diesem Beitrag entdeckt, schreibt ihr mir unten in die Kommentare. Vielleicht habe ich einige ja absichtlich versteckt.

Bachelorarbeit schreiben = Dienst am Leser, nicht am Prüfer

Schreibt was Vollwertiges statt Spam. Es sei denn, ihr wollt Beef mit euren Lesern provozieren
© Qwertyxp2000/CC BY-SA 4.0

Mit Texten, die digital veröffentlicht werden, hat sich eine neue Schreibkultur entwickelt. Beispiel: sogenannte SEO-Texte. SEO steht für search enginge optimization, eine Tätigkeit, durch die verwirrte Webmaster versuchen, ihre Seiten in den Suchergebnisse von Suchmaschinen wie Google möglichst weit oben zu platzieren, weil gute Platzierung = mehr Besucher, mehr Besucher = mehr Einnahmen. Diese Webmaster und „Redakteure” haben sich daher angewöhnt, möglichst umfangreich Schlagworte im Text unterzubringen, in der Hoffnung, dass Suchmaschinen die Texte dann als relevanter als andere mit weniger Schlagworten bewerten. Leider sind die meisten solcher Texte unleserlich und nutzlos. Und ganz so einfach lassen sich Suchmaschinen und Leser mittlerweile zum Glück nicht mehr über den digitalen Tisch ziehen. 

Ein weiterer Trick dieser raffinierten Webmaster und Werbeagenturen ist es, Artikel zu verlinken, wo es nur geht. Ihr kennt solche Nervensägen von Facebook, die unter jedem Posting ihre uninteressante Facebook-Page verlinken müssen, anstatt konstruktiv zur Diskussion beizutragen. Wie so traurige Leute, die durch die Fußgängerzone steuern, Schaufenster mit Graffitis verunstalten und ihre Mitmenschen anschreien: „Kuck mal, mein Pimmel!“ oder „Haste mal 1 Euro?“

Grund dafür, dass diese Leute das Internet mit Links so zuspammen: Suchmaschinen werten Texte, die viel von anderen Texten referenziert werden, anders als Texte mit wenig Empfehlungen. Was von anderen empfohlen wird, das muss ja gut sein, also kann man es auch in den Ergebnissen weiter oben platzieren. Die Zeit, die es für einen guten, nützlichen Text braucht, investieren Spammer lieber in fragwürdige Werbemaßnamen nach dem Motto shit to gold.

Diese Verlinkungsmasche, kennt ihr die nicht auch aus der Wissenschaft? Stichwort Zitierkartell. Und Texte, die sich nicht an ihre Leser richten, sondern nur an (meist eh desinteressierte) Prüfer, kommen euch die bekannt vor? Vielleicht schreibt ihr ja gerade einen solchen?

Worauf ich hinaus will:

  • Bitte wählt eure Themen danach aus, was euch interessiert und was die Welt interessieren könnte, nicht danach, was eure Prüfer interessiert. Wählt eure Themen so, dass eure Arbeit nützlich wird für ein größeres Publikum. 
  • Bitte schreibt eure Abschlussarbeiten nicht für euren Profs, nicht für eure Prüfer. Schreibt auch keine „Abschlussarbeit“, keine „Bachelorarbeit“ oder „Dissertation“. Verfasst keinen Wissenschafts-Spam, wenn ihr nicht Beef mit mir als Wissenschaftslektor und Leser heraufbeschwören wollt. Schreibt eure Arbeit nicht für die Note, sondern für alle Leser, die sich für euer Thema interessieren. Schreibt einen Artikel, einen Essay, einen Aufsatz oder ein Buch, denn genau das sollt ihr mit eurer Abschlussarbeit lernen. Erklärt jemanden, der sich mit euren Thema nicht auskennt, was ihr als Experten wisst. Helft euren Lesern und Mitmenschen weiter.
  • Entwickelt ein Selbstbild als „Autor“ bzw. „Autorin“, das euer Selbstbild als Student oder Doktorand überragt. Entsprechend: Ihr müsst euch nicht anbiedern. Schreibt das, was ihr selbst denkt, und hier und da auch, was ihr fühlt. Ihr dürft gerne mal anecken und kontrovers schreiben. Und wenn ihr keinen Bock habt, euren Prof zu zitieren, dann lasst es sein, der wird auch ohne euer Geschleime seinen impact als Wissenschaftler und sein Ranking im Zitierindex verbessern.
  • Respektiert eure Leser. Jeder, der eure Texte liest, investiert Lebenszeit, Aufmerksamkeit und Energie in eure Arbeit. Bitte geht verantwortungsvoll damit um.
  • Schreibt barrierefrei. Schön, wenn ihr tausenderlei Fachwörter aus eurem Fachbereich kennt. Aber wenn ihr eine große Leserschaft erreichen wollt, erklärt eure Fachwörter und geht sparsam damit um. Ihr verliert Leser mit einer vorgeblich wissenschaftlichen, prätentiösen Sprache. Wenn ich eure Texte lese, interessiert mich nicht, wie gebildet ihr seid. Mich interessiert nur das Thema, über das ihr schreibt. Ich will etwas lernen. Wenn nicht ihr mir etwas beibringt, dann wer anders, denn ein besser geschriebener Text ist heutzutage zum Glück nur noch wenige Klicks von eurem Text entfernt.

Nun also zu den Problemen in wissenschaftlichen Texten, mit denen ich in der Praxis am häufigsten konfrontiert werde.

Meine Top Ten der Fehler in Bachelorarbeiten, Masterarbeiten, Dissertationen

Abschlussarbeiten lese und überarbeite ich seit vielen Jahren. Es gibt Dinge, die fallen mir überdurchschnittlich oft auf. Achtet auf die paar Dinge, die ich im Folgenden aufzähle, und ihr könnt die Qualität eurer Texte substanziell (oder substantiell?) verbessern, und ich habe in Zukunft weniger mit euren Texten zu kämpfen.

#1: Kommasetzung

Wenn ihr sauber Kommas setzen wollt: Beschäftigt euch mal systematisch so 2, 3 Stunden mit Kommasetzung. Es gibt mittlerweile jede Menge Websites, die euch weiterhelfen. Einfach mal „Crashkurs Kommasetzung” googeln oder ein Buch wie dieses durchgehen.

Zu den 80 % Kommas, die in Abschlussarbeiten falsch oder gar nicht gesetzt werden, gehören meiner Meinung nach die Kommas bei Infinitivgruppen mit zu. Mal alle Ausnahmen beiseite gelassen, hier ein paar korrekte Beispiele:

Anstatt das Produkt zu verbessern, kümmern sie sich nur um die Werbung.
Er zog sich in die Hütte zurück, um zu beten.
Sie nehmen den Auftrag, das Produkt zu verbessern, nicht ernst genug.
Der Plan, nach Italien zu fahren, fiel ins Wasser. 
Aber dieser Gedanke, eine Familie zu gründen, ließ ihn nicht mehr los.

Bei Sätzen wie diesen also bitte Kommas setzen. Eine Liste häufiger Kommafehler findet ihr z.B. hier

#2: Beamtenstil

Am liebsten würde ich den Beamtenstil als Nr. 1 aufzählen. Leider hat er sich in manchen Fachbereichen so etabliert, dass er dort fast nicht mehr wegzudenken ist, vor allem im Bereich der Rechtswissenschaft, in weiten Teilen auch in der Philosophie und in der Soziologie. Die irrige Annahme, welche viele von euch leitet: Diese Art von Stil sei gleichzusetzen mit Wissenschaftlichkeit und Objektivität. Nö. Ihr könnt auch ohne Stock im Allerwertesten wissenschaftlich schreiben. Tipp: Schreibt im Stehen, das macht euch locker.

Was genau meine ich mit Beamtenstil?

Nominalstil. Frage: Welcher Satz macht mehr Kopfkino? Wenn ich sage „Aufgrund des gestrigen, ganztägigen Im-Bürostuhl-Sitzens am Schreibtisch habe ich heute Rückenschmerzen“ oder wenn ich sage „Ich saß gestern den ganzen Tag im Bürostuhl am Schreibtisch. Heute habe ich Rückenschmerzen“. Ich hoffe Letzteres. Wenn ihr wählen könnt, bitte bevorzugt Verben gegenüber Substantiven und substantivierten Verben, das hilft euren Lesern, einen Satz schneller zu verstehen. Ihr verliert Leser, wenn sie ständig Sätze mehrmals lesen müssen, um sie zu verstehen.

Schachtelsätze. Bitte schreibt eure Sätze kurz. Ich habe in all den Jahren eine einzige Arbeit aus dem Fachbereich der Philosophie gelesen, in welcher der Autor kunstvoll und absichtlich verschachtelt hat, was ich auch als herausfordernd empfand. Dennoch: Keine Angst vor kurzen Sätzen. Je. Kürzer. Desto. Besser. Im Idealfall kombiniert ihr ausgeglichen sehr kurze Sätze mit längeren, mehrteiligen Sätzen. Aber bitte vermeidet Schachtelsätze und Bandwurmsätze wie dieses Prachtexemplar:


Ziel der Konferenz ist es, aktuelle Entwicklungen der deutschen Gleichstellungspolitik in und für Wissenschafts- und Forschungsorganisationen zum Beispiel im Rahmen der Exzellenzinitiative, des Paktes für Forschung und Innovation, des Hochschulpaktes 2020, der Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Professorinnenprogramms von Bund und Ländern zu bilanzieren und innovative Handlungsempfehlungen zur Karriereförderung für Frauen im Arbeitsfeld Wissenschaft und Forschung, insbesondere im Wissenschaftsmanagement, zu geben. 

Genitivketten und Substantivketten. Auch sehr beliebt: Genitivketten, liebevoll kombiniert mit Nominalstil. Bitte niemals schreiben „Die Schwierigkeit des Verstehens des Textes besteht in seiner völligen Unanschaulichkeit“. Schreibt stattdessen: „Es ist schwierig, den Text zu verstehen. Er ist völlig unanschaulich.“

Passive Formulierungen. Passive Formulierungen sind unanschaulich. Ganz schlimm wird es, wenn Autoren sich nicht selbst nennen wollen, weil sie denken, dass das objektiver sei. Ich meine damit Sätze wie „Es wurde eine Untersuchung durchgeführt“. Warum nicht einfach schreiben „Der Autor führte eine Untersuchung durch“ oder am besten „Ich habe eine Untersuchung durchgeführt“. Bitte schreibt immer aktiv und fürchtet euch nicht vor dem „Ich“.

Um es zusammenfassend positiv zu formulieren: Schreibt verbal. Kombiniert kurze Sätze ausgeglichen mit längeren. Formuliert aktiv.

#3: Wortwiederholungen und Füllwörter

Wenn ihr euer Manuskript im ersten Anlauf runterschwurbelt, ist es völlig normal, dass sich unnötige Wortwiederholungen, Lautwiederholungen und Ticks einschleichen. Besonders beliebt sind „dieser/diese/dieses“ und „dabei“: 

Ihr Konzept von MLA beschreibt dabei die vertikalen Beziehungen verschiedener Verwaltungsebenen und geht dabei grundlegend davon aus, dass IPAs sowohl vertikal mit den NPAs der jeweiligen Mitgliedsstaaten interagieren, als auch strukturell verbunden sind. Es hat dabei grundsätzlich einen universellen Geltungsbereich und kann konzeptionell auf alle Arten von Verwaltungen jenseits des Nationalstaats angewandt werden. Dabei stellen die vertikalen Beziehungen zu nationalen Verwaltungen nach […] einen wichtigen Aspekt in der nationalen und internationalen Politikgestaltung dar, da die IPAs […] auf ihre nationalen Gegenstücke angewiesen sind (2017: 141). 

Füllwörter blähen den Text unnötig auf und entsprechen „Ähs“ beim sprechen. Beliebte Füllwörter: hierzu, hierbei, dabei, auch, dementsprechend, entsprechend, diesbezüglich, allerdings, durchaus, dann, hier, wiederum, beispielsweise, bezogen, folglich, nun, zumal.

Wie wird man Füllwörter und überflüssige Wörter los? Indem man seinen Text konsequent und mehrmals überarbeitet. Kein Text ist mit dem ersten Entwurf sauber. Wenn ihr aber systematisch schleift und feilt, könnt ihr aus dem Gebilde, das ihr runtergeschrieben habt, einen gepflegten Text machen. Überarbeitet mindestens einmal nur in Hinsicht auf Füllwörter und Wortwiederholungen: Ist dieses und jenes Wort wirklich notwendig, verliert der Satz an Inhalt, wenn ich es weglasse? Denkt Twitter: Dort knoble ich ab und an fünf Minuten an einem Tweet, um eine Aussage auf 160 Zeichen zu komprimieren; das zwingt mich, alle Füllwörter, alle überflüssigen Aussagen zu streichen.

Mein Vorschlag für eine Überarbeitungsroutine:

  1. Rohmanuskript aka 1. Entwurf;
  2. grobe Formatierung (etwa mit dieser Dokumentvorlage);
  3. Überarbeitung in Hinsicht auf Inhalt (stimmen Zitate und Quellenangaben, ist alles logisch usw.);
  4. Überarbeitung in Hinsicht auf Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung und Einheitlichkeit;
  5. Überarbeitung in Hinsicht auf Stil und Ausdruck;
  6. erst jetzt evtl. korrigieren lassen oder jemanden lesen lassen, der sich auskennt (und nur jemanden, der sich wirklich auskennt!);
  7. Text finalisieren, letzter Schliff;
  8. Layout finalisieren;
  9. Text ausdrucken und noch noch einmal auf Papier lesen.

Auch lesen: Abschlussarbeit überarbeiten: Schlussredaktion in 5 Schritten

Der erste Entwurf, den viele von euch schon einreichen, sollte nicht mehr als 10–20 % der gesamten Arbeitszeit beanspruchen. Die restlichen 80 % sind disziplinierter Überarbeitung gewidmet. Klingt langwierig? Tja Freunde, wollt ihr schreiben wie die Profis oder wollt ihr spammen? Guter Text braucht seine Zeit.

Merke: Überarbeiten tust du so, wie du ein Musikstück lernst. Mal vom Anfang zum Ende hin, mal vom Ende bis zum Anfang. Dann klappt’s auch mit der Note

Wichtig 1: Nicht immer von Anfang bis Ende überarbeiten, sondern immer auch vom Ende zum Anfang, etwa so, wie man ein Musikstück lernt. Das garantiert, dass nicht nur der Anfang stark und sauber wird, sondern der gesamte Text.

Wichtig 2: Einzelne Sätze und am besten den gesamten Text immer wieder laut lesen.

Wichtig 3: Zwischen jedem Überarbeitungs-Durchgang wenigstens 1 Tag Pause, weil wegen Betriebsblindheit.

#4: Uneinheitlichkeit

Uneinheitliche Schreibweisen findige ich nerviger als Orthografiemängel an sich. Wenn ihr ein Wort falsch schreibt laut Duden, dann schreibt es bitte auch einheitlich in der gesamten Arbeit falsch. Nicht aber mal so, mal so. Manchmal lässt der Duden mehrere Varianten eines Wortes zu, etwa „dahin gehend“ und „dahingehend“. Entscheidet euch für eine Variante und zieht sie durch. Ich wähle in der Regel die Variante, die von der Duden-Redaktion vorgeschlagen wird. Suchen und Ersetzen ist das Werkzeug eurer Wahl, um zu vereinheitlichen.

Einheitlich sollten auch die Zeichen gesetzt werden. Bitte nutzt einheitlich dieselben Anführungszeichen, und zwar am besten die deutschen „…“ (nicht "…"), mehr dazu weiter unten. Setzt einheitlich geschützte Leerzeichen vor Einheiten, zwischen Abkürzungen wie z. B., vor Seitenangaben. Nutzt einheitlich korrekt Gedankenstriche und Bindestriche. Formatiert die gesamte Arbeit zu einem hübschen Einheitsbrei.

#5: Durchkopplung

Regelmäßig durchgekoppelt, also mithilfe von Bindestrichen zusammengesetzt, werden aneinandergereihte Wörter wie Gewinn-und-Verlust-Rechnung oder 95‑%‑Konfidenzintervall. So weit, so gut.

Was viele von euch falsch schreiben, sind Kombinationen aus deutschen und englischen Wörtern, denn die sind wirklich etwas tricky. Beispiele für solche Wörter: Open-Source-Software, Key-Account-Manager, Cut-off-Wert. Wenn ihr euch an folgende Faustregeln haltet, schreibt ihr den Großteil dieser Zusammensetzungen richtig:

  • Gekoppelt mit Bindestrichen wird fast immer – außer in WhatsApp und im Facebook-Messenger.
  • Das erste Wort und das letzte (deutsche) Wort werden fast immer großgeschrieben.
  • Ob ein Wort im Wortinneren groß oder klein beginnt, bestimmt sich nach der Wortart: Verben, Adjektive & Co. klein, Substantive groß. Deswegen ist in den Beispielen oben „off“ klein, „Source“ groß.
  • Wenn ihr etwas in Anführungszeichen setzen wollt, wovon ich abrate, dann koppelt ihr trotzdem durch, etwa wie bei „Key-Account“-Manager. Bitte nicht „Key Account“-Manager schreiben, das ist hässlich. Am besten die Anführungszeichen weglassen.

Ausführlich ins Thema Komposita könnt ihr euch hier einarbeiten. Viel Spaß beim Koppeln, Freunde!

#6: Kommentare in Fußnoten

Ich habe mal eine sehr lange Abhandlung über meine Abneigung gegen Fußnoten geschrieben. Über die Jahre bin ich milder geworden und habe meine Meinung geändert. Ich bin zwar nach wie vor der Ansicht, dass die besseren Texte ohne massig Quellennachweise und Zitate auskommen, weil sie mehr eigene Gedanken präsentieren als fremdes Gedankengut. Aber man muss der akademischen Realität ins Auge schauen. Vor allem Bachelorarbeiten beschränken sich ja oft darauf, einen Forschungsstand zusammenzufassen. Was ihr damit macht, ist das Pendant zum Bulimie-Lernen, nämlich Bulimie-Schreiben: Lesen bis zum Erbrechen, dann all das halbverdaute Gelesene in einem anständigen Zitierschwall zu Papier bringen und beim Prüfungsamt einreichen. Stimmt nicht? Ich seh’s doch an euren 5 Seiten Literaturangaben auf 10 Seiten Zitate, 2 Seiten Abbildungen/Tabellen und 20 Seiten eigenen Text.

Zurück zu den Fußnoten. Verweise im Fließtext (vgl. blabla 1981: 23) bringen mich als Leser ins Stocken. Kann man machen, wenn man nur 2, 3 Verweise in der gesamten Arbeit hat. Wenn man aber pro geschriebene Seite mehrere Quellen nachzuweisen hat, nutzt man besser Fußnoten. 

Und wenn man Fußnoten nutzt, dann aber auch nur für Nachweise! Eine Dozentin hat mir mal gesagt, dass Kommentare in Fußnoten akademischer Usus seien und wichtige weiterführende Gedanken für die sogenannte akademische Community enthalten. Nö. Sehe ich überhaupt nicht so. Sie halten einfach nur beim Lesen auf. Was wichtig ist, gehört aus meiner Sicht in den Fließtext. Was unwichtig ist, muss auch nicht in eine Fußnote. Zumal die meisten von euch Fußnoten-Kommentare nur nutzen, weil sie im Nachhinein noch eine Aussage mit in den Text packen wollen, ohne alles umzuschreiben. Oder weil ihr es wie ich in meinen ersten Semestern macht: Stolz eine Fußnote nach der nächsten setzen, weil ihr ja jetzt studiert und weil Fußnoten wissenschaftlich sind. Blödsinn. Lasst euch nicht von Fußnoten blenden. Fußnoten sind was für Fuß-Fetischisten und Nachdenker.

Also: Fußnoten bitte nur für Quellenangaben nutzen, und die dann auch möglichst kurz à la Autor-Jahr. Schlagt noch mal nach, wofür exakt vgl., ebd. und a. a. o. gebraucht werden, diese Kürzel gebrauchen nämlich 90 % von euch falsch. 

#7: Absätze

Lange Absätze: Kann man mal machen, wenn man sich drin bewegen kann, tut auf Dauer aber weh

Viele von euch haben Probleme mit ihren Absätzen. Damit meine ich nicht die Absätze an euren Schuhen, die eure Knie und eure Körperhaltung versauen – ich rate übrigens zu Barfußschuhen und Stehschreibtisch. Nein, ich meine die Absätze in euren Texten, vor allem deren Länge und Kürze, etwa Abätze, die aus nur einem Satz bestehen, vs. Absätze, die mehrere Seiten lang sind.

Bitte orientiert euch nicht an Absätzen in Onlinetexten wie diesem hier. Im Internet sind Absätze in der Regel deutlich kürzer, was der Aufmerksamkeitsspanne vieler Leser geschuldet ist. Die wird meist nicht durch ADHS oder sonst was verursacht, sondern weil’s uns mehr anstrengt, wenn wir am Bildschirm statt von Papier lesen. 

Grundsätzlich gilt: 1 Absatz, 1 Gedankengang. Deswegen schreibe ich hier in diesem Absatz nicht weiter über ADHS oder Papier oder Onlinetexte. Wenn ihr noch kein Gefühl dafür habt, wie lang ein Absatz ungefähr sein sollte, peilt ihr einfach so 2 bis 3 Absätze pro DIN-A4-Seite an.

Ihr könnt und solltet euren Text auch durch Aufzählungen auflockern. Wichtig ist, dass ihr es damit nicht übertreibt. Alle paar Seiten eine Aufzählung, das reicht völlig aus, vor allem dann, wenn ihr zusätzlich mit Bildern und Tabellen arbeitet. Bitte achtet darauf, dass eure Aufzählungen nicht einfach nur einzelne Wörter aufzählen, sondern ganze Sätze. Schaut euch an, wie ich in diesem Text Aufzählungen verwende und orientiert euch daran.

Besonders wichtige, dramatische Sätze dürfen auch mal für sich stehen.

Übrigens fehlen in euren Texten oft auch die Absätze: So merke ich immer wieder an, dass auf eine Überschrift Text folgen sollte, nicht einfach die nächste Überschrift. Extrembeispiel in einer der Arbeiten, die ich korrigiert habe: 4 Überschriften nacheinander ohne ein Wort Text. Bitte vermeiden. Nach jeder Überschrift schreibt ihr mindestens einen Absatz Text.

#8: Klammern

Hach ja, Klammern. Meine Deutschlehrerin am Gymnasium, die liebe Frau Schmidt, war der Meinung, dass Klammern grundsätzlich überflüssig seien. Ich sehe das nicht ganz so; gelegentlich kann man auch mal Klammern als Stilmittel einsetzen. Meist aber führen Klammern nur zu Schachtelsätzen und reißen aus dem Leseflow. Ganz schlimm wird es, wenn ihr Zitate und Gedanken in Klammen nachweist. 

Beispiel:

Als Fazit wurde eine „zögerlich(e)“ Nutzung festgestellt: Am häufigsten genutzt wurden Facebook (55 %), YouTube (47 %) und Xing (30 %), Twitter kam auf 23 % und Blogs nutzen 13 % der 35 Häuser (vgl. Lüthy; Jendreck 2015).

Lest dieses Beispiel mal laut. Alles, was ihr nicht anständig laut lesen könnt, hat schon verloren von Stil her, sozusagen.

Also, wenn ihr besseren Text liefern wollt: Setzt die Quellennachweise in Fußnoten und versucht, Klammern spärlich einzusetzen.

#9: Gänsefüßchen

Kommen wir zum Eingemachten der Zeichensetzung. Anführungszeichen werden in nahezu 100 % der Arbeiten, die ich korrigiere, falsch gesetzt. Daher hier mein Crashkurs in Typografie und Anführungszeichen. Die wichtigsten Regeln lauten:

  • Zollzeichen ("…") sind keine Gänsefüßchen („…“). Zollzeichen haben in euren Abschlussarbeiten fast nichts zu suchen, es sei denn, ihr benutzt Zoll als Einheit. 
  • Im Deutschen werden die Gänsefüßchen oben und unten gesetzt („…“), nicht wie im Englischen oben (“…”). Das gilt auch für einfache Gänsefüßchen (‚…‘).
  • Doppelte Anführungszeichen werden in wissenschaftlichen Texten nur für Zitate verwendet.
  • Wörter hebt ihr hervor, indem ihr sie kursiv oder in einfache Anführungszeichen setzt.

Normalerweise werden die Gänsefüßchen in Word automatisch erzeugt, wobei Word natürlich immerzu Mist macht. Ich stelle daher diese Automatik grundsätzlich ab und setze die Anführungszeichen von Hand. Zumindest solltet ihr die Gänsefüße zum Schluss nachbearbeiten. 

So erzeugt ihr typografisch korrekte Anführungszeichen in Mac OS und Windows:

TypAussehenShortcut WindowsShortcut Mac OS
normal ALT+0132
ALT+0147

ALT+SHIFT+W
ALT+2

einfach ALT+0130
ALT+0145
ALT+S
ALS+#

Die Kombination unter Windows tippt ihr auf dem Ziffernblock, ihr haltet also ALT gedrückt und tippt dann die Zahlenfolge ein. Ziemlich umständlich, daher solltet ihr euch unter Word für Windows eigene Shortcuts zuweisen. Ich empfehle, die Tastenkombinationen wie die für Mac OS zu belegen – und dann am besten gleich auf einen Apple-Rechner umzusteigen.

#10: Präpositionen

Wenn ihr bildungsbürgerlich aufgewachsen seid, habt ihr bestimmt gelernt: Es heißt „wegen des Wetters“, nicht „wegen dem Wetter“. Rischtisch, zumindest laut Duden! Der Alltag lehrt uns mittlerweile anderes, nämlich „wegen dem Wetter“, „wegen den Wetter”, „wegen Wetter, Dicka” oder „wegen diese Wetter”.

Davon abgesehen beobachte ich bei vielen von euch, dass sie es mit ihrer Bildungsbürgerlichkeit übertreiben. Das führt dann zu Konstrukten wie „gemäß des Autors“, „entsprechend des Textes“, „entgegen der Meinung“. Dieser verfluchte Bildungsbürger-Genitiv! 

Hier meine Liste der Präpositionen, die vielen von euch Probleme bereiten, inkl. Fall (des Falls, dem Fall?), den sie verlangen:

PräpositionFallBeispiel
bezüglich Genitiv bezüglich des Schreibens
anstatt Genitiv anstatt des Textes
entlang Genitiv entlang des Ufers (aber: das Ufer entlang)
einschließlich Genitiv einschließlich der Überschrift
während Genitiv während des Spiels
laut Dativ laut der Zeitung
gemäß Dativ gemäß dem Artikel (merke: demgemäß)
analog Dativ analog der Regel
ähnlich Dativ ähnlich der Idee
entsprechend Dativ entsprechend dem Autor (merke: dementsprechend)
entgegen Dativ entgegen der Meinung
einschließlich Dativ einschließlich mir
samt Dativ samt der Tabelle

Achtung: Einige Präpositionen stehen in Ausnahmefällen auch mit einem anderen Fall, etwa dann, wenn der Artikel wegfällt. Der Einfachheit wegen führe ich das hier nicht auf. Schlagt immer im Duden nach, wenn ihr euch unsicher seid.

Bachelorarbeit selbst korrigieren: Überarbeitungs-Tools

So Freunde und Freundinnen des gepflegten wissenschaftlichen Textes, zum Schluss führe ich euch noch ein paar nette Tools auf, die euch dabei helfen, bessere Texte zu erarbeiten. 

  • Word-Rechtschreibprüfung. Die Rechtschreibprüfung von Word nenne ich ungern, weil sie nicht immer verlässlich ist und weil Word von Microsoft gemacht ist. Über die Jahre hat sie sich allerdings etwas verbessert und kann ganz nützlich sein. Nutzt sie aber nicht zum Schreiben, sondern nur zum Überarbeiten. Das heißt: Lasst die Rechtschreibprüfung ausgeschaltet, solange ihr euen Text runterschreibt, denn die lenkt euch nur vom Schreiben ab. Schaltet also auch diese roten Kringel ab beim Schreiben. Wenn ihr dann überarbeitet, schaltet ihr sie ein und schaut, was sie euch so anmerkt. Vor allem Tippfehler lassen sich damit ganz gut aufspüren.
  • Duden. Ist doch klar, dass ich hier den Duden nenne. Ich nutze schon seit Jahren die Online-Variante, habe aber zum Glück noch eine Offline-Ausgabe mit dem praktischen Duden Korrektor und der Duden App ergattert. Den Korrektor für Word gibt es immer noch, andererseits prüft Word selbst mittlerweile auch die Grammatik, deswegen ist nicht ganz so schlimm, wenn er irgendwann gar nicht mehr funzt.
  • Synonymwörterbuch. Vor allem beim Überarbeiten merze ich unschöne Wortwiederholungen aus (siehe oben). Wenn mir mal kein Ersatzwort einfällt, nutze ich das praktische Synonymwörterbuch von woxikon.de. Praktisch. Bzw. brauchbar, dienlich, geeignet, grifft, nützlich. Gefällt mir.
  • Grammatik. Grammatik kann man auf leo.org nachschlagen. Hilfreich z. b. dann, wenn ich mal wieder nicht weiß, ob Subjekt und Verb miteinander kongruieren (kongruieren, nicht kopulieren). Leo.org nutze ich, wenn ich mal nicht weiß, wie ein Wort gebeugt wird. Heißt es „des Doktorands“ oder „des Doktoranden“?

Fazit

Es gibt für diesen Beitrag kein ordentliches Fazit. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass in eine Abschlussarbeit auch ein Fazit gehört. Und dass es euch vielleicht hilft, wenn ihr ein vorläufiges Fazit formuliert, bevor ihr mit dem Schreiben beginnt. Alternativ schreibt ihr einen Abstract. Das hilft euch dabei, zielgerichteter zu schreiben, zumindest mal darüber nachzudenken, was ihr eigentlich wollt mir eurem Text. Ich hab mal einen Roman geschrieben und mich ziemlich rumgequält; als ich aber endlich den Klappentext hatte, wurde die Überarbeitung zum Kinderspiel. Nur als Pro-Tipp am Rande.

 

Kommentare

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  • Johann · vor 2 Jahren
    In dem Leitfaden meiner Hochschule wird ausdrücklich verlangt, die erste Person nicht zu verwenden. Mein Studiengang ist allerdings auch technisch. 
    • Christian Wolf · vor 2 Jahren
      @Johann Ja, meine Empfehlung ist auch, die erste Person nur zu verwenden, wenn die Prüfer nichts dagegen haben bzw. es nicht vorgegeben ist, und dann auch nur gelegentlich. Wenn man unsicher ist, besser unpersönlich. In einer Diss geht das eher mal als in Bachelorarbeiten.
  • Benni · vor 6 Jahren
    Dein Beispiel mit der Präposition entgegen solltest Du nochmal gegenchecken.
    Wie hast Du eigentlich zitiert, bevor Du Deinen Frieden mit der Fußnote gemacht hast, wenn Dir die Autor-Jahr-Zitierweise auch nicht zugesagt hat? Numerisch?
    • Christian Wolf · vor 5 Jahren
      @Benni Hallo Benni,
      danke für den Hinweis bei „entgegen“, da hatte sich ein Fehler eingeschlichen.

      Abgesehen davon, dass ich keine Abschlussarbeiten bzw. wissenschaftlichen Texte schreibe: Ich zitiere ganz normal mit hervorgehobenem Fließtext. Quellennachweise setze ich meist in Endnoten, da ich fast nur Onlinetexte schreibe, oder ich verlinke die Quelle einfach.

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