03.02.2025 🚀2

Fernstudium in Deutschland boomt trotz hoher Kosten

Immer mehr Studierende in Deutschland entscheiden sich für ein Fernstudium – und das, obwohl die Kosten oft hoch sind. Eine aktuelle Analyse des CHE Centrum für Hochschulentwicklung zeigt: Die Zahl der Fernstudierenden hat sich in den vergangenen 15 Jahren fast vervierfacht. Besonders private Hochschulen profitieren von diesem Trend, während die traditionelle Präsenzlehre stagniert​.

Mehr als 250.000 Studierende an Fernhochschulen

Laut den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes waren im Wintersemester 2022/23 erstmals über 250.000 Studierende an deutschen Hochschulen in einem Fernstudiengang eingeschrieben. Das entspricht einem Anteil von 8,6 Prozent aller Studierenden. Zum Vergleich: Im Wintersemester 2006/07 lag die Zahl der Fernstudierenden noch bei 67.833​.

Besonders stark ist das Wachstum an privaten Hochschulen. Die IU Internationale Hochschule, eine staatlich anerkannte private Hochschule mit Hauptsitz in Erfurt, verzeichnete im Wintersemester 2022/23 mit 76.279 Fernstudierenden die höchsten Zahlen. Die FernUniversität in Hagen, die größte staatliche Fernhochschule, hatte im gleichen Zeitraum 62.633 Fernstudierende​.

Private Anbieter dominieren den Markt

Von den insgesamt 1.006 im HRK-Hochschulkompass verzeichneten Fernstudienangeboten entfielen 68,4 Prozent auf private Hochschulen. Staatliche Hochschulen boten lediglich 30,8 Prozent der Programme an. Besonders aktiv sind private Hochschulen im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich. Mehr als ein Drittel aller Fernstudiengänge entfallen auf die Wirtschaftswissenschaften, gefolgt von Informatik, Gesundheitswissenschaften und Psychologie​.

Eine Analyse der Studiengangsbezeichnungen zeigt zudem, dass Begriffe wie „Management“, „Business“ und „Digital“ besonders häufig in den Namen der Fernstudiengänge vorkommen. Dies verdeutlicht den Fokus vieler Anbieter auf praxisnahe und berufsbegleitende Programme​.

Hohe Studienkosten schrecken nicht ab

Ein wichtiger Aspekt des Fernstudiums sind die Studiengebühren. Während an staatlichen Hochschulen oft nur geringe Semesterbeiträge anfallen, liegen die Kosten an privaten Hochschulen meist im vierstelligen Bereich. Laut der CHE-Analyse beträgt der Median der Studiengebühren im Fernstudium 2.207 Euro pro Semester. Die Spannweite reicht von wenigen Hundert Euro bis hin zu 9.000 Euro pro Semester​.

Ein Beispiel sind die Gebühren an der IU Internationalen Hochschule: Im Bachelorstudium müssen Studierende im Vollzeit-Fernstudium mit Kosten von 2.340 Euro pro Semester rechnen, im Master sind es sogar 3.336 Euro. Über die gesamte Studiendauer summieren sich die Kosten auf mehr als 10.000 Euro​.

Verzerrung in der Hochschulstatistik

Der Boom des Fernstudiums hat auch Einfluss auf die Hochschulstatistik. Fernstudierende werden in der amtlichen Statistik dem Bundesland zugerechnet, in dem ihre Hochschule ihren Hauptsitz hat – unabhängig davon, wo sie tatsächlich leben. Dies führt zu Verzerrungen, insbesondere in kleineren Bundesländern mit großen Fernhochschulen​.

Ein besonders drastisches Beispiel ist Thüringen: Dort sind laut amtlicher Statistik 56,4 Prozent aller Studierenden in einem Fernstudium eingeschrieben. Tatsächlich handelt es sich dabei größtenteils um Studierende der IU Internationalen Hochschule, die ihren Hauptsitz in Erfurt hat, aber deren Studierende über ganz Deutschland verteilt sind​.

Auch in anderen Bundesländern sind hohe Anteile an Fernstudierenden zu beobachten: Im Saarland beträgt der Anteil 23,5 Prozent, in Hamburg 20,2 Prozent. Diese Werte verzerren unter anderem die Betreuungsrelationen, da Fernstudierende meist keinen direkten Kontakt zu Lehrpersonal vor Ort haben​.

Fernstudium wird zunehmend attraktiver

Die Ergebnisse der CHE-Analyse zeigen, dass das Fernstudium in Deutschland eine immer wichtigere Rolle spielt. Während die Zahl der Präsenzstudierenden in den letzten Jahren stagnierte oder teilweise zurückging, wächst der Fernstudienmarkt kontinuierlich. Gründe dafür sind die zunehmende Digitalisierung, die Flexibilität des Fernstudiums und die gezielte Ansprache von Berufstätigen durch private Hochschulen​.

Marc Hüsch, der Autor der CHE-Analyse, empfiehlt, die Rolle der Fernstudierenden in der Hochschulstatistik stärker zu berücksichtigen. „Eigentlich müsste man Fernstudierende als eigene Kategorie ausweisen – als eine Art 17. Bundesland“, so Hüsch. Nur so ließen sich aussagekräftige Vergleiche zwischen den Bundesländern und Hochschulen ziehen​.


Veröffentlicht am von , Fachredakteur

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