Fernstudium? Nicht zu empfehlen!
Fernstudium boomt - „82.000 Fernstudierende an staatlichen Hochschulen in Deutschland“ ließ die Arbeitsgemeinschaft für das Fernstudium an Hochschulen neulich verlauten. Und dabei ging es nur um staatliche Hochschulen, obwohl auch private Fernhochschulen einen hohen Zulauf an nebenberuflich Studierenden verbuchen können. Über die Gründe für den Boom kann man spekulieren. So wie „lebenslanges Lernen für alle“ immer lauter propagiert wird, wird auch das Thema Fernstudium gehyped. Die Schattenseiten dieser Form von Weiterbildung werden regelmäßig unter den Tisch gekehrt.
Warum? „Bildung“ in Form von Weiterbildung und Ausbildung ist ein riesen Geschäft für fast alle Beteiligten, vom Jobcenter über kommerzielle Schulen bis hin zu staatlichen Hochschulen. E-Learning entwickelt sich schnell und vereinfacht das Lernen von zu Hause aus, und die Potenziele des Internets für das Thema Weiterbildung fangen gerade erst an, sich zu entfalten. Und E-Learning ist billiger, spart Raum und Personal.
Die Studienform Fernstudium passt gut in unsere Leistungsgesellschaft. Ihr wollt arbeiten, obwohl ihr krank seid, ihr wollt arbeiten und gleichzeitig eine Familie gründen, ihr wollt arbeiten und euch gleichzeitig weiter- und ausbilden. Und immer schön am Lebenslauf schleifen, in dem sich Bachelor und Master ganz gut machen. Ein Studium, das Ihr neben Eurem Beruf und neben der Familie absolviert habt, bescheinigt Euch Durchhaltevermögen, einen starken Willen. Das ist es vielleicht sogar egal, ob es „nur“ an der FernUni Hagen absolviert wurde.
Aber bescheinigt es Euch auch Sozialkompetenz, wenn Ihr für Eure Karriere so viel aufgebt?
Ein Studium soll nicht einfach weiterbilden. Ein Studium soll bilden, sage ich, und zwar den Charakter und den Körper. Ich bin glücklich darüber, dass ich viele Jahre an normalen Unis studiert und nur studiert habe. Weil ich ausreichend Freiraum hatte, um mich, mein Persönlichkeit zu entfalten, mich zu bilden. Weiterbildung und Ausbildung sind nur Tropfen auf den heißen Stein Bildung. Das Umfeld und der soziale Raum, innerhalb dessen Weiterbildung oft stattfindet, wie eine Schule, ist oft für die persönliche Entwicklung wichtiger als der Lernstoff an sich.
Sich weiterzubilden und auszubilden, nur für den Lebenslauf, ist nichts, worauf man besonders stolz sein müsste. Es ist materiell und heißt nur, mehr und mehr Wissen zu horten, das einem für seine Zwecke nützlich sein könnte, dass letztendlich dafür sorgen soll, materiell reicher zu werden. Das muss nicht per se verurteilt werden und hat sicher auch Berechtigung; es ist halt nur nicht viel mehr.
Das ist die eine Sache, die gilt ja auch für ein Präsenzstudium. Hier die anderen Gründe, warum ich dringend rate, sich nicht Hals über Kopf in ein Fernstudium zu stürzen:
- Ein Fernstudium erfordert Disziplin. Kannst Du Dich disziplinieren und konsequent das Ziel verfolgen, auch dann, wenn Du mal überhaupt keine Lust hast?
- Ein Fernstudium erfordert Ausdauer. Sich eine Woche lang zu disziplinieren, Triebverzicht zu üben, das geht schon mal. Aber kannst Du das auch über ein Jahr? Über zwei Jahre und vielleicht sogar fünf Jahre? Denn fünf Jahre wirst Du vielleicht investieren müssen, wenn Du neben dem Beruf studierst. Fünf Jahre Triebverzicht, fünf Jahre 150 %, fünf Jahre Arbeit, Arbeit, Arbeit? Überlege Dir gut, ob Dir der Benefit des Fernstudiums die Strapazen rechtfertigt.
- Ein Fernstudium ist eine unsoziale Sache. Klar, Du wirst den ein oder anderen Kommilitonen kennen lernen, E-Mails schreiben, chatten, hin und wieder telefonieren. Aber glaube mir, das ist nicht zu vergleichen mit dem Sozialleben an einer normalen Uni. Mit dem berühmten Studentenleben. Mit dem vielen Freiraum, innerhalb dessen sich Persönlichkeiten gemeinsam entwickeln.
- Fernstudium macht einsam, wirklich, da können Fernstudis sagen, was sie wollen. Das ist wie mit Apple. Ein Apple-Nutzer wird sein super Gerät schon alleine deswegen verteidigen, weil er viel dafür bezahlt hat, mehr als für vergleichbare Geräte. Da muss es doch einfach besser sein.
- Fernstudium zwingt auch euch an den Rechner. Vielleicht ist den meisten das ja egal. Aber ich bin froh über jede Minute, die ich nicht am Rechner verbringen muss. Ich bin lieber draußen unterwegs, in der Sonne, im Wald, an der frischen Luft. Wer einen Bürojob hat und dann noch nebenbei studieren will, soll sich darüber bewusst sein, dass so ein Fernstudium die tägliche Bürozeit um ein paar Stunden verlängern kann, und zwar auch denn, wenn man überwiegend mit Heften und Büchern lernt statt am Laptop.
Versteht mich nicht falsch. Ich bin selbst Fernstudent. Aber ich bin es sehr gerne. Ich habe durch mein vorheriges Studium ein Studentenleben, das ich als Freiberufler immer noch mehr oder weniger pflege. Ich liebe es einfach, mich zu bilden und zu entwickeln, wozu auch Weiterbildung gehört, daher ist mir der Abschluss nicht so wichtig. Ich betreibe kein Lebenslaufdesign.
Wenn ich aber meinen Job nicht hätte, der mir so viel Zeit abverlangt, mir aber auch so viel gibt, würde ich aber auch wieder an einer ganz normalen Präsenzuni studieren.
Was denkt ihr?
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Ich bin die Vorsitzende der Studentenverbindung der Fernstudenten in der Schweiz. Wir organisieren jeden zweiten Monat, einen Stammtisch für alle Fernstudenten der Fernuni Hagen. Diesen Herbst fand das erste Herbstfest im Studienzentrum Brig statt und seit vier Jahren organisieren wir Studienreisen, die wir einmal im Jahr durchführen.
Am Stammtisch nehmen jeweils 8 bis 10 Personen teil. Daraus entstehen Lerngruppen oder es werden private Treffen organisiert.
Beim Herbstfest waren es über 20 Teilnehmer die einen tollen Nachmittag und Abend verbrachten. Kultur inklusive.
Die Studienreisen führten uns nach Berlin, Weimar, Wien und nächstes Jahr geht es nach Budapest. Im Moment läuft eine Planung für eine grössere Reise nach Russland.
Das sind alles freiwillige Angebote wer mag der kommt und wer nicht der eben nicht. Eines ist aber sicher, wer sich ein Netzwerk aufbaut der wird auch das Studium beenden.
Möglichkeiten für den Kontakt unter den Fernstudenten bestehen, zumindest in der Schweiz, nutzen muss sie jeder selber.
Wenn ich jetzt meinen Beitrag oben lese, muss ich mich doch selbst über diese Passage hier wundern:
Eine bloße Behauptung ohne jeglichen Hintergrund. Außerdem frage ich mich, was für einen Zusammenhang ich zwischen dem ersten Satz und dem Apple-Vergleich ziehen wollte. Sehr sophistisch, dieser Absatz.
Aber, das hatte ich ja bereits mehrfach gesagt, der Beitrag sollte weniger in die Tiefe gehen als vielmehr zum selbstständigen Denken und zu Diskussion anregen. Dieses Ziel hat er mit durchschlagendem Erfolg erreicht. Siehe auch die Diskussion dazu auf fernstudium-infos: http://www.fernstudium-infos.de/fernstudium-allgemein/26688-warnung-vor-dem-fernstudium.html (die ich bis jetzt noch nicht verfolgt habe, aber in die Auswertung der Blogparade zu den Vor- und Nachteilen einbeziehen werde).
Eure Aktivitäten zur Vernetzung der Fernstudenten untereinander begrüße ich ausdrücklich. Besonders gefällt mir auch die Studienreise nach Weimar ;-) (mein Heimatort).
Auch das Internet bieten viele Vernetzungsmöglichkeiten wie z.B. fernstudi.net.
Man könnte jetzt die Begriffe "Vernetzung" und "Sozialisation" mal schön einzeln definieren und voneinander abtrennen.
Und untersuchen, inwieweit "Vernetzung" z.B. für die spätere Karriere oder auch andere Dinge von Vorteil ist.
Dann könnte man diese Vorteile gegenüber denen der Sozialisation aufwiegen. Und Fernstudis, das hatte hier glaube ich auch jemand kommentiert, stehen ja oft bereits voll im Leben und sind vielleicht sogar "sozialisierter" als Präsenzstudis, auch weil sie im Schnitt älter sind. Fernstudis sind halt wahrscheinlich eher nicht so gut mit anderen Fernstudis oder Präsenzstudis sozialisiert.
Dann schaut man sich an, wie erfolgreich die gut (untereinander) vernetzten Fernstudis, die auch stark Online-Möglichkeiten wie Foren, Blogs, Facebook und Twitter nutzen., z.B. im Beruf oder auch in anderen Bereichen sind.
Und man schaut, wie der Vernetzungsgrad durch online bei Präsenzstudenten aussieht. Vielleicht ist der ja im Schnitt viel geringer und beschränkt sich eher auf Plattformen wie StudiVZ oder Facebook, die nicht dem gemeinsamen Lernen dienen, sondern eher der Unterhaltung.
Vielleicht würde man dann feststellen, dass gut vernetzte Fernstudis in vielen Dingen erfolgreicher sind als Präsenzstudis, keine Ahnung.
Das wäre ein tolles Ergebnis. Müsste man nur noch dafür sorgen, dass mehr Fernstudis die Möglichkeiten des Web-2.0 und des kollaborativen Lernens nutzen, denn hier hakt es sicher noch ... Vermutlich sind diejenigen, die die besten Möglichkeiten voll ausreizen, in der Minderheit.
Ach ja, je nach Begriffsdefinition kann Online-Vernetzung ja wahrscheinlich auch zu Sozialisation führen. Oder einfach gesagt: Aus Online-Kontakten werden Real-Life-Begegnungen und vielleicht sogar -Freundschaften.
Du hast aber sicher recht, aus Online-Kontakten sich können Freundschaften entwickeln und was gut ist, diese gehen über die Landesgrenzen hinaus. Was ja auch ein grosser Vorteil ist.
Im Netz geht das effizient. Frage in einem Forum posten, warten, Anregungen, Hinweise und Lösungsvorschläge bekommen, fertig. Natürlich muss man entsprechend bereit sein, selbst seinen Teil dazu beizutragen. Und man muss fähig sein, die Spreu der Antworten vom Weizen zu trennen.
Aber Offline-Kontakte sind natürlich in vielerlei Hinsicht durch das Netz nicht zu schlagen. Sei es der Kontakt zu einem einzelnen Lernpartner oder "Buddy", der vielleicht sogar ein guter Freund ist, und den man immer wieder motiviert und der einen motiviert, mit dem man gemeinsam studiert.
Sei es die Lerngruppe, die aus x Lernenden und x Lehrenden besteht, Lerngewohnheit durch regelmäßige Treffen schafft und das Lernen noch mit dem (für die meisten) Genuss der sozialen Interaktion verbindet. Vor allem werden dabei, im Gegensatz zu einem Forum, alle Sinne angesprochen, was Lern- und Verstehensprozesse sicher vereinfacht.
Für Großstädter wie mich ist es nun kein Problem, solch eine Lerngruppe zu gründen oder einer beizutreten. Wer aber "abschüssig" wohnt, hat diese Möglichkeit nicht oder kann Treffen wahrscheinlich nicht z.B. wöchentlich besuchen. Skype und Videotelefonie könnten hier einen Ausgleich schaffen. Auch in Bezug auf die Interaktion mit Lehrkräften.
Noch was anderes: In Zukunft gibt es vielleicht gar keine Trennung zwischen Fernhochschule und Präsenzhochschule mehr. Vorlesungen kann man live von zu Hause über den Rechner mitverfolgen, bei Bedarf geht man in den Vorlesungssaal. An Seminaren kann man per Videokonferenz teilnehmen oder auch direkt im Seminarraum. Lehrbücher gibt es auf digitalen Lesegeräten, oder auf Wunsch auch als richtiges Buch. Für Kurse und Module gibt es immer einen E-Learning-Kurs, der Wissen festigt und abfragt. Usw ...
All diese neuen Technologien kommen JEDEM Lerner zugute, ob im Fernstudium oder im Präsenzstudium, denn sie sorgen bei richtiger Anwendung für eine Effizienzsteigerung.
Und da die Präsenzhochschulen auch durch den Wettbewerb untereinander stark an sehr guten Studenten interessiert sind, interessieren sie sich mehr und mehr für neue Technologien im Bereich Lernen. Manche sind der FernUni Hagen dabei doch schon Schritte voraus. Etwa die Uni Tübingen mit ihrem Angebot an online abrufbaren Vorlesungen.
ein sehr interessanter Artikel und ich muss dir in einigen Punkten recht geben.
Ein Fernstudium/Fernlehrgang erfordert sehr viel Disziplin und es ist auch nicht leicht der Familie und den Freunden zu erklären, dass man jetzt keine Zeit hat.
Die sehen das beim ersten und auch beim zweiten Mal noch ein, aber wenn man immer wieder absagt, fragt irgendwann keiner mehr nach.
Allerdings habe ich selber die Feststellung gemacht, dass so oft ich meinen Fernlehrgang auch verteufle, ich könnte nicht ohne.
Ich habe 2005 meinen ersten Fernlehrgang bei der SGD absolviert und dann geschworen, diese Schinderei nie wieder auf mich zu nehmen.
Was mache ich heute? Ich bin beim nächsten Fernlehrgang dabei und überlege schon, was ich da noch draufsetzen könnte.
Ich bin der Meinung, hat man mal einen Fernlehrgang/ein Fernstudium absolviert, macht das ungemein süchtig. Man will mehr.
Und das ist wiederum das schöne an einem Fernlehrgang.
lg
Taylor
danke Dir für deinen Kommentar, ich kann auch nachvollziehen, was du meinst. Aber vergiss darüber deine Familie nicht ;-)
keine Angst, die Familie vergess ich schon nicht.
Meine Schwester macht ja auch eine zeitintensive Fortbildung und da schaufelt man sich dann einfach gemeinsam irgendwo ein paar Stunden frei und sitzt beisammen.
Gute Nacht
Taylor
ich kann Deine Bedenken überhaupt nicht teilen. Ich habe den Vergleich Präsenzuni, wo ich mein Erststudium absolvierte und mein Zweitstudium jetzt an der FernUni Hagen. Beides übrigens in Vollzeit. Ich habe vielleicht den Vorteil, dass ich mir meine Zeit frei einteilen und nebenbei nur studentisch jobben muss, wie ich es an der Präsenzuni auch schon gemacht habe. Aber meine Erfahrungen sind folgende: Ich war an der Präsenzuni genauso scheiße einsam, wie man es immer von Fernstudenten denkt. Ich war dank Abi auf dem Zweiten Bildungsweg ca. 15 - 20 Jahre älter als die "normalen" Studenten vom Gymnasium, wurde regelmäßig von anderen Studenten gesiezt und anfreunden konnte ich mich in den 5 Jahren Studium mit niemandem so richtig. Wenn es um Referate ging, war ich froh, wenn man sie alleine machen konnte, denn Teamwork lief bei vielen nicht. Da wurden Verabredungen zu Treffen nicht eingehalten oder schon mal gesagt: "Mach Du mal". Sowas nenne ich unsozial. Am Schluss hab ich mir dann nur noch die Skripte besorgt und bin gar nicht mehr in Vorlesungen gegangen. Und viele meiner Seminare habe ich als Blockseminare am Wochenende hinter mich gebracht.
Ich würde nie wieder an einer Präsenzuni studieren. Es war die einsamste Zeit meines Lebens und als "Alte" hab ich mich unter den ganzen 19 Jährigen echt fehl am Platz gefühlt. Und was nützt mir ehrlich gesagt das sog. studentische Leben, wenn ich auf Studentenparties eh nur blöd angeschaut werde, so nach dem Motto: "Die Alte hat sich wohl verlaufen. Das ist ne Studentenfete, keine Ü30 Party".
Außerdem glaube ich, dass es sich mit dem Bachelor und der Einführung der Studiengebühren in vielen Bundesländern eh mit dem studentischen Leben erledigt hat. Die Jungstudis müssen jetzt das Geld für die Studiengebühren erarbeiten und können nicht mehr jeden Tag Party machen. Und dank Bachelor geht jetzt das Konkurrenzdenken an den Unis los, ob man ja den Schnitt für die Aufnahme in den Master schafft und ob man vom lieben Kommilitonen nicht den begehrten, weil verpflichtenden, Praktikumsplatz, weggeschnappt bekommt. Wenn man dann noch in manchen Studiengängen verpflichtende Stundenpläne von 8 Uhr früh bis 6 Uhr abends hingeknallt bekommt und noch dazu jedes Semester studienbegleitende Prüfungen hat, vergeht einem das studentische Leben ganz schnell.
sehr schöner Beitrag, danke!
Ich gebe zu, dass der Beitrag von mir nur sehr oberflächlich reflektiert und mehr Diskussion provozieren soll als in die Tiefe des Themas zu gehen.
Vieles von dem, was Du schreibst, kann ich nachvollziehen. Ich war zwar nicht viel älter an der Uni als die anderen, aber ich war auch immer Einzelgänger. Außerdem wollte ich wirklich ernsthaft studieren und nicht meine Zeit mir Partys etc. vergeuden (heute weiß ich aber, wie wichtig auch das ist). Alleine dadurch sondert man sich schon ab, denn die meisten wollen einfach nur so einfach wie möglich durchkommen und schauen Studis komisch an, die halb besessen studieren. Kann ich auch heute erst verstehen und nachvollziehen.
Wie sehr ich das Selbststudium mag, habe ich als Gegenstück zu diesem Beitrag ja hier beschrieben: https://www.fernstudi.net/magazin/fernstudium-ich-liebe-es
Deine Erfahrungen zeigen auch noch einmal einen wichtigen Vorteil des Fernstudiums auf: Fernstudium ermöglicht es auch "älteren" Semestern, die nicht frisch vom Gymnasium kommen, zu studieren, bei größtmöglicher Flexibilität.
Zur Einsamkeit: Das ist aber eine individuelle Sache, die bei mir ähnlich war. In meinen Studiengängen gab es aber auch viele weit über 30, die sehr engagiert und integriert waren; sicher, bei den "fetten Saußen" waren sie nicht dabei, weil sie sich etwa um die Familie kümmern mussten, aber sie waren nicht alleine.
Wärst Du es vielleicht auch genauso alleine gewesen, wenn Du direkt nach dem Abitur an die Uni gegangen wärst?
Es gab da an der Präsenzuni viele so kleine Begebenheiten, die mich halt voll genervt haben und die mir das "studentische Feeling" ganz schön vermiest haben, z.B. dass ich in der Mensa immer mal wieder nach meiner Immatrikulationsbescheinigung gefragt wurde, ob ich denn wirklich Studentin sei. Oder bei einer überfüllten Vorlesung, dass ich mit anhören musste, wie sich junge Studenten darüber beschwerten, dass die Gasthörer und die vom Seniorenstudium ihnen die Plätze wegnehmen und in dem Zusammenhang auch zu mir rübergeschielt wurde. Oder wenn ich zu einer Studenteparty wollte, ich am Eingang audrücklich darauf hingewiesen wurde, dass das eine Party für Studenten sei und man mich dann ganz blöd angesehen hat, als ich meinen Studentenausweis gezückt habe. Außerdem galten Leute, die ihr Abi über den Zweiten Bildungsweg hatten, sowieso als Studenten zweiter Klasse. Immer mal wieder kam von Dozenen: "Das wissen Sie ja sicher noch vom Gymnasium", oder "Wie sie aus der Kollegstufe sicher wissen dürften ....".
Also, meine Zeit an der Präsenzuni war nicht so schön und ich hab zugesehen, dass ich das Studium so schnell wie möglich über die Bühne kriege.
Ich weiß nicht, ob es genauso gewesen wäre, wenn ich mit 19 Abi hätte machen können und danach gleich studiert hätte. In dem Alter hab ich nach der Realschule eine schulische Ausbildung gemacht und an der Schule hatte ich eigentlich keine Kontaktprobleme. Da war ich eigentlich immer in der Spaß- und Säuferclique, lach.
Sicher fordert ein Fernstudium Disziplin und Ausdauer - das habe ich aber nie als Nachteil gesehen. Den Campus habe ich schon vermisst, aber als unsolzial habe ich das Fernstudium nicht empfunden. Im Gegenteil, es gab oft einen Austausch und ich habe viele Fernstudenten als extrem hilfsbereit trotz ihrer Belastungen erlebt. Das gilt sowohl für die Präsenzen als auch für den virtuellen Kontakt. Was die Einsamkeit angeht. Sicher ist die freie Zeit für soziale Kontakte geringer. Allerdings habe ich dafür die Zeit, die ich mit Freunden, Familie, Partnerin verbracht habe als wesentlich intensiver und sozial aktiver erlebt.
Ich möchte die Fernstudium-Erfahrung nicht missen. Aber ich gebe gerne zu, dass ich auch gerne die Erfahrung als Präsenzstudent gemacht hätte und es bedauere, die Möglichkeit dazu nicht ergriffen zu haben. Denn ein richtiges Studentenfeeling - das kommt im Fernstudium tatsächlich eher selten auf.
ja, ich habe ein wenig überspitzt formuliert, um zum Nachdenken anzuregen. So ein Fernstudium lässt sich schon so organisieren, dass man auch noch "Freizeit" hat, die man mit Freunden und Familie verbringen. Außerdem studiert ja auch nicht jeder Fernstudi neben dem Beruf.
Das Wort "unsozial" ist eigentlich nicht ganz passend, weil es irgendwie negativ anklingt - aber ein besseres Wort habe ich nicht gefunden. Studentenleben und Face-to-Face-Kontakte, auch mit Leerpersonal, lassen sich virtuell einfach nicht ersetzen.
Und einsam bin ich als Fernstudent auch nicht, das liegt ganz an und in einem selbst. Das Thema hatten wir, glaube ich, an anderer Stelle schon einmal, möglicherweise tendieren Personen, die sich schwerer in Gesellschaft zurechtfinden, eher dazu, ein Fernstudium aufzunehmen.
An einer Präsenzuni studieren, mindestens als Gaststudent, kannst Du übrigens jederzeit, egal, wie alt Du bist :-)
dann habe ich gute Nachrichten für dich: Das Studium an der FernUni Hagen ist nicht so teuer. Die 300 Euro zahlst du im Schnitt pro Semester, also alle halbe Jahre. Das Bachelor-Fernstudium Wirtschaftsinformatik an der FernUni kostet beispielsweise insgesamt etwa 2000 Euro, wenn du Teilzeit studierst. Die 2000 Euro verteilen sich auf die gesamte Studienzeit. Was du dann pro Semester zahlst, richtet sich danach, was du im Semester an Modulen belegst.
ich habe mir nochmal zum "studentischen Leben" bei Fernstudenten Gedanken gemacht. Irgendwie sehe ich nicht, was Präsenzstudenten tun können und Fernstudenten nicht. Vor allem wenn man in der Nähe einer Präsenzuni wohnt, kann man doch am studentischen Leben der betreffenden Stadt teilhaben.
Was hindert einen Fernstudenten z.B. daran in eine Studenten-WG zu ziehen? Das ist doch nicht sein Status als Fernstudent, sondern weil vielleicht jemand Familie hat. Aber auch Präsenzstudenten mit Frau und 3 Kindern würden nicht in einer WG wohnen. Hier ist der Hinderungsgrund also nicht das Fernstudium, sondern die Familiengründung.
Was hindert einen Fernstudenten daran auf eine Studentenparty zu gehen, in eine Studentenkneipe oder ein Studentenbistro? Das ist dann wohl eher das Alter als der Umstand, dass man Fernstundent ist. Auch 40 jährige Präsenzstundenten werden wohl eher auf Parties für ihre Altersgruppe gehen, als auf Studentenparties, wo lauter 19 Jährige rumhüpfen. Hier also das Alter als vermeintlicher Hinderungsgrund und nicht der Status als Fernstudent.
Was hindert einen Fernstundenten daran die meist öffentlichen Angbote des Hochschulsports der nahen Präsenzhochschulen zu nutzen? Was hindert einen Fernstudenten daran sich zum Lernen in die Unibib oder den Aufenthaltsraum der nahen Präsenzuni zu setzen? Was hindert einen Fernstudenten daran sich bei Studentenstreiks und einer Demo anderen Studenten anzuschließen? Beim Bildungsstreik 2009 z.B. wurde das Audimax der FH Nürnberg auch von Studenten der Erlanger Uni und anderen umliegenden Hochschulen besetzt. Warum nicht auch als FernuniStudent einfach mitbesetzen? Was hindert einen Fernstudenten daran sich einer Studentenverbindung, einer Burschenschaft oder einer politischen oder religiösen Studentengruppe anzuschließen? Diese genanten Gruppen stehen Studenten hochschulübergreifend zur Verfügung. Der Umstand dass man Fernstudent ist, versperrt einem doch nicht den Weg in studentische Organisationen. Hier ist der Hinderungsgrund vielleicht die mangelnde Zeit wegen Berufstätigkeit. Aber auch Präsenzstudenten, die kein Bafög bekommen oder reiche Eltern haben und daher für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen, haben keine Zeit Hochschulsport zu machen oder sich anderweitig studentisch in Gruppen zu engagieren. Hier also das Hindernis Zeit/Berufstätigkeit, und wieder nicht der Umstand Fernstudent zu sein. Denn nicht alle Fernstudenten sind neben dem Studium berufstätig.
Was hindert Fernstudenten daran sich darüber zu erkundigen, ob die Mensa ihrer nahen Präsenzuni Gastkarten ausgibt, so dass auch Studenten, die nicht dem betreffenden Studentenwerk angehören, die Mensa nutzen können. In Nürnberg ist es z.B. so. Ich besitze eine weiße Gast-Mensakarte. Auch habe ich eine Semsetermarke für die Nürnberger Verkehrsbetriebe, kann also zu studentischen Tarifen die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Dank eines Internationalen Studentenausweises bekomme ich auch so manche studentische Vergünstigungen bei Übernachtungen, Kulturveranstaltungen etc.
Und das studentische Feeling eines überfüllten Hörsaals können Fernstudenten erleben, so sie es denn unbedingt wollen, bei öffentlichen Ringvorlesungen, die jede Präsenzuni anbietet. Als Alternative kann man sich auch für 2 SWS als Gaststudenten einschreiben. Wird dabei (wie bei manchen Universitäten) die allgemeine Hochschulreife vorausgesetzt und man hat sie nicht, ist der Hinderungsgrund die fehlende Hochschulreife und nicht der Umstand, dass man Fernstudent ist.
Also, was am studentischen Leben können Präsenzstudenten erleben, Fernstudenten aber nicht, sofern nicht andere Hinderungsgründe wie Familie, Berufstätigkeit usw. dagegensprechen?
Diese Diskussion und Deine Beiträge sind interessant und geben mir viele Anregungen für die Auswertung der Blogparade zu den Vor- und Nachteilen eines Fernstudiums (https://www.fernstudi.net/magazin/10895).
Folgendes möchte ich Dir auf Deinen Beitrag erwiedern.
Du schreibst:
Ich glaube, dass Du mit vielen Aufzählungen in Deinem Beitrag (implizit) von dieser Voraussetzungen ausgegangen bist: Die (meisten) Fernstudenten befinden sich einer nahezu gleichen Lebensituation wie Präsenzstudenten.
Nun, dann könnten Sie doch auch ein Präsenzstudium machen? Tatsächlich, diese Tatsache kann ich auf die Schnelle jetzt allerdings nicht belegen, sind die meisten Fernstudenten in einer anderen Lage als Präsenzstudenten, bezogen z.B. auf diese Punkte:
- Viele (der Großteil?) Fernstudenten sind berufstätig und opfern einen großen Teil ihrer Freizeit dem Studium. Sie haben also weniger "Freizeit" als Präsenzstudenten, selbst dann, wenn sie ein Teilzeitstudium absolvieren und berufstätig sind.
- Mehr Fernstudenten als Präsenzstudenten haben eine Familie gegründet = weniger Freizeit für "Studentenleben".
- Mehr Fernstudenten als Präsenzstudenten müssen ihr Studium komplett alleine finanzieren, sie erhalten kein BAföG und keine Unterstützung von den Eltern -> sie sind zur Arbeit gezwungen -> weniger Freizeit.
- Usw.
Zusammengefasst kann man sagen: Fernstudenten haben im Schnitt weniger freie Zeit zur Verfügung als Präsenzstudenten. Freizeit ist allerdings eine wichtige Vorausetzung für das Studentenleben. Bei Fernstudenten ist sie eine wichtige Voraussetzung für Sozialkontakte zu Präsenzstudenten.
Beim Begriff "Studentenleben" hakt es auch. Ich verstand Studentenleben im Beitrag oben als
Mein Fehler ist es hier, den Begriff nicht ausreichend definiert zu haben.
Mit Deiner impliziten Definition (WG, Party/Geselligkeit, Sport, "Hörsaalfeeling" etc.) gehe ich konform.
Um auf Deine Frage zusammenfassend zu antworten:
Nichts. Aber bei einem Großteil der Fernstudenten sprechen die Hinderungsgründe wie Familie, Berufstätigkeit usw. dagegen.
Bei nahezu gleichen Bedingungen aber (Vollzeitstudium, "Fremdfinanzierung", keine oder nur aushelfende Berufstätigkeit bzw. Praktika, evtl. gleiches Durchschnittsalter usw.) kann ein Fernstudent natürlich einen großen Teil des Studentenlebens mitmachen. Allerdings treten nahezu gleiche Bedingungen aber bei den wenigsten Fernstudenten auf (das kann ich hier, wie oben gesagt, nicht belegen).
Statistiken hierzu sind sicherlich aufzufinden und ich werde sie bei Gelegenheit recherchieren, vielleicht findest Du ja auch was.
Stimmst Du mir da überein?
Ich habe vorher den Staatlich geprüften Betriebswirt gemacht und kann daher das Fernstudium mit Erfahrungen eines Präsenzstudiums vergleichen, auch wenn es nicht eine Hochschule mit Campus und Uni-Feten gewesen ist etc Aber entscheidend neben dem süßen Studientenleben (dass ich heute auch nicht mehr so führen wollte) bleibt einfach der Nachteil beim Fernstuidum, dass man viel als vermeintlich Sozialkompetenz bezeichnete Fähigkeiten nicht erwirbt. Beim staatlich geprüften Betriebswirt mussten wir immer wieder Vorträge halten, uns in Gruppen mit Projekten beschäftigen etc. Beim Fernstudium habe ich dann und dann eine Klausur und ich lerne den Stoff, bis ich ihn mir auswendig vor Augen führen kann. Aber vom Wissen her ist es eine bessere Methode. Und das Fernstudium hat eine zeitliche Flexibilität, die kein Präsenzstudium zu bieten hat.
Alles hat seine Vor- und Nachteile oder vereinfacht:
das Wissen vom Fernstudium möchte ich nicht missen, das soziale Lernen an der Wirtschaftsakademie nicht dissen.
viele Fernstudenten/Fernschüler empfinden das Fernstudium als Bereicherung, die neue Horizonte eröffnet, oft nach langer Zeit wieder an das Thema Lernen heranführt, was ich auch sehr gut finde.
Zudem haben viele Fernstudis wie Du schon Ausbildung, vielleicht sogar ein Studium etc. hinter sich und stehen sicher im Leben: Sozialkompetenzen sollten da schon vorhanden sein, und auch die Online-Kontakte können bereichern und sogar zu Offline-Freundschaften führen, die man ohne das Studium nicht gehabt hätte.
Aber es gibt eben auch diese Tendenz, alles schnell schnell zu machen, um nur einen weiteren Schein, ein neues Zertifikat oder Zeugnis zu erwerben, das man vorzeigen kann; und eben, Bildung nur auf "Weiterbildung" und "Ausbildung" zu beschränken.
Aber die Sichtweise hier ist sehr subjektiv.
Ich für meinen Teil habe sowohl an einer Präsenzuni als auch an einer Fernuni studiert. Es mag einiges auf die persönliche Organisation ankommen. Ich empfand das Studium an der Fernuni nicht als einsamer als an der Präsenzuni. Auch dort war es nicht leicht Kontakte zu knüpfen und zu halten. Spätestens im Schwerpunkt verlor man die bekannten Gesichter aus den Augen und saß mit kleinen Gruppen im Seminar, wo mehr als ein wenig Small Talk nicht herum kam. Bei der Fernuni erfolgt der meiste Kontakt zwar virtuell, aber im fortgeschrittenem Studium hatte ich hier sogar mehr regelmäßige Kontakte als an der Präsenzuni. Von daher würde ich hier nicht pauschalisieren, dass ein Fernstudium einsam macht. Hierzu gibt es sogar eine interessante Studie: "Lone Wolves in Distance Learning? An Empirical Analysis of the Tendency to Communicate Within Students Groups". Diese widerlegt im übrigen die Behauptungen, die der Autor aufgestellt hat.
Die subjektiven Erfahrungen scheinen demnach auseinander zu gehen.
Den Punkt "Fernstudium zwingt auch euch an den Rechner" finde ich schon fast lächerlich. "Ich bin lieber draußen unterwegs, in der Sonne, im Wald, an der frischen Luft." Ein Fernstudium ermöglicht hier doch gerade maximale Flexibilität. Meine Bücher kann ich lesen, wenn ich mit den Kindern im Garten oder auf dem Spielplatz bin, lernen kann ich mittels Karteikarten Apps überall zwischendurch - sogar auf dem Klo. Die Vorlesungen muss man sich nicht zu bestimmten Zeiten ansehen, das kann man abends, nachts, bei schlechtem Wetter. Ein Präsenzstudium ermöglicht einem hier doch viel weniger Freiraum. Die Vorlesungen finden zu festen Zeiten statt, die meisten Vorlesungsräume habe ich eher als "Bunker" kennen gelernt. Da kann man (im Gegensatz zum Fernstudium) nicht sagen - "oh, draußen ist so ein schönes Wetter, ich gehe lieber raus" - oder man verpasst die Vorlesung.
Und was bedeutet es, den Lebenslauf zu frisieren? So ein Quatsch. Den Lebenslauf frisiert man nicht dadurch, dass man möglichst viele, zum Teil absolut unterschiedliche Studiengänge abgeschlossen hat. Das zeugt wohl eher von Unentschlossenheit. Den Lebenslauf frisiert man durch ehrenamtliche Tätigkeiten, durch Lehrgänge, durch Fortbildungen im eigenen Bereich. Und da ist es den Arbeitgebern am Ende ziemlich egal, ob man an einer Präsenzuni oder "nur" an der FernUni studiert hat. Entscheidend ist am Ende das, was man kann - nicht das, was im Lebenslauf steht.
Studium - ganz gleich ob präsent oder unpräsent - ist nicht nur leistungsorientiert oder profilierungsorientiert. Die Gründe für's Studieren können bunt wie ein Regenbogen sein. Manchen Menschen erfüllt die Möglichkeit zu Studieren den Zweck der Teilhabe. Allein deshalb ist es sehr gut und äußerst positiv, dass es Fernstudienmöglichkeiten überhaupt gibt.
Ich würde daher jedem, der in dem passenden Alter ist (~20-30) und es sich leisten kann (ungebunden, ohne Verpflichtungen?) empfehlen ein Studium an einer Präsenzuni zu absolvieren. Allein wegen dem Studentenleben.
Aber was machen denn z.B. Leute mit Familie? Oder Leute, die eine Ausbildung und einen guten Job haben, den sie nicht kündigen wollen? Leute mit einer schönen Wohnung, die ihren Lebens-Standard nicht aufgeben möchten? Oder Menschen über 35/40/50, die sich weiterbilden möchten oder bei denen ein Studium für eine bestimmte Stelle voraussetzung für den Karriereaufstieg ist? Diese wieder auf die Uni, ins Präsenzstudium schicken? Den Leuten bleibt nicht mehr viel mehr, als das Studium berufs- oder lebensbegleitend anzugehen. Das solltest Du bei deinem Beitrag vielleicht im Hinterkopf haben.
Nicht jeder hatte das Glück in jungen Jahren von den Eltern, dem Bafög oder einem gut bezahlten Studi-Job sein Studium finanzieren zu können und am Studentenleben (lt. den meisten Akademikern: der wohl schönsten Zeit in ihrem Leben) teilzuhaben.