Produktivität & Selbstorganisation

Langfristig fürs Fernstudium motivieren: Interview mit Mentorin Manuela Gnann

Marcus: Manuela, du bist sowohl Hochschuldozentin als auch Mentorin und hast schließlich selbst mal studiert. Wenn man noch ganz am Anfang des Fernstudiums steht, worauf lässt man sich da langfristig ein? Worüber sollte man sich mit Hinblick auf die Motivation über diesen Zeitraum im Klaren sein?

Manuela: Fernstudierende sind oftmals erschrocken, wenn ihnen klar wird, wieviel Aufwand ein Fernstudium ist. Das ist auch nicht verwunderlich – die Fernhochschulen stellen in ihren Marketingaktivitäten den Aufwand gerne als geringer dar, als er tatsächlich ist. Ausserdem wird in der Kommunikation die individuelle Situation der Studierenden gar nicht berücksichtigt. Jede / Jeder bringt unterschiedliches Vorwissen, Fähigkeiten, Kompetenzen und auch Ehrgeiz mit.

Die persönliche und berufliche Situation der Studierenden ist oftmals auch sehr unterschiedlich und stellt individuelle Herausforderungen dar. Fernstudierenden sollte daher klar sein: ein Fernstudium ist eine Verpflichtung, die über Jahre geht und die auch immer wieder immense Auswirkungen auf das Privatleben und den eigenen Job hat.

Daher hilft es oft, sich ganz zu Beginn des Studiums die folgenden Fragen zu stellen: was motiviert mich für dieses Studium? Was möchte ich danach erreichen? Diese Visualisierungen helfen dann sehr, auch mit größeren Motivationskrisen umzugehen und diese zu überwinden.

Marcus: Gibt es spezifische Unterschiede in den Herausforderungen für die langfristige Motivation zwischen Präsenzstudium und Fernstudium?

Manuela: Auf alle Fälle. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Fernstudierende sich sehr einsam fühlen. Das liegt an der Studiensituation im Fernstudium: häufig lernen die Studierenden andere Studierende nur in Online-Veranstaltungen kennen. Das erschwert es, enge Kontakte zu anderen Studierenden aufzubauen. Somit ist nur wenig Gelegenheit da, sich auch mal bei einem Motivationsloch auszutauschen.

Fernstudierende müssen sich daher in einem besonders großen Ausmaß selbst motivieren, da so wenig sozialer Kontakt mit anderen Fernstudierenden besteht. Das ist sicher viel einfacher für Studierende in einer Präsenzsituation. Der Austausch mit anderen Studierenden ist viel intensiver, schon allein, weil regelmäßiger persönlicher Kontakt da ist.

Wenn über Jahre hinweg eine Mehrfachbelastung aus Job, Studium und Privatleben geschafft werden soll, müssen die Ziele klar vor Augen sein.

Marcus: In der Psychologie ist bezüglich der eigenen Ziele immer wieder die Rede von Intrinsischer und Extrinsischer Motivation. Welche Rolle spielt die Verbindung von persönlichen Zielen und den Studien- oder Berufszielen für die Aufrechterhaltung der Motivation?

Manuela: Meiner Meinung nach ist es essenziell, die persönlichen Ziele mit den Studien- und Berufszielen zu vernetzen. Wenn ich weiss, mit welchem Ziel ich bestimmte Wege gehe, dann fällt dies deutlich leichter oder wird sogar erst möglich. Gerade wenn wir an die heftige Belastung eines Fernstudiums denken.

Wenn über Jahre hinweg eine Mehrfachbelastung aus Job, Studium und Privatleben geschafft werden soll, müssen die Ziele klar vor Augen sein. Es ist auch meine Erfahrung, dass Motivationslöcher dann auftauchen, wenn das Endziel nicht klar vor Augen ist.

Marcus: Wir befinden uns nun mitten im Studium und der anfängliche Hype über den Studienbeginn ist lange verflogen, die ersten Prüfungen haben erste Ergebnisse geliefert. Wie können Studierende effektiv mit Rückschlägen oder Motivationsverlusten umgehen und ihre Lernziele trotzdem erreichen? Was, wenn etwas im Studium dauerhaft Probleme macht?

Manuela: Ich bin ein großer Fan davon, bewusst in die Analyse der Situation zu gehen. Dabei spreche ich gar nicht von einem tagelangen Rückzug auf eine einsame Alm, um dann die eigene Studiensituation zu zerdenken. Ein gemütlicher Spaziergang oder das bewusste Aufschreiben der Störfaktoren ist schon ein guter Anfang, um eine Veränderung einzuleiten.

Wichtig ist es, komplett ehrlich und schonungslos die eigene Situation zu betrachten: habe ich vielleicht nicht genug gelernt? Gab es Wissenslücken, die ich vor dem Absolvieren eines Moduls besser geschlossen hätte? Hatte ich das theoretische Wissen, um eine Hausarbeit gut zu schreiben? Diese Ehrlichkeit hilft sehr, die eigene Situation zu analysieren.

Dabei kann aber auch der Blick von Aussen helfen, um mit den Herausforderungen besser umzugehen. Dann wird es auch klarer, worin genau die Herausforderungen bestehen und welche Ursachen sie haben. Ein Mentoring kann hier auch helfen, um zu einer dauerhaften Lösung zu kommen.

Ausserdem hilft es sehr, sich der eigenen Situation aktiv zu stellen – je länger die Studiensituation ertragen wird, desto größer werden in der Regel die Probleme.

Marcus: Gibt es einen bestimmten Punkt, ab dem man als Studi aktiv nach Hilfe bei den Hochschulen, Dozierenden oder eben Study Mentoren wie dir suchen sollte? Wo kann diese Unterstützung nachhaltig, also insbesondere für die langfristige Motivation im Studium, helfen?

Manuela: Ich bin auch ein großer Fan davon, lieber früher als später die Unterstützung einer Mentorin zu suchen. Häufig kann schon ein kleiner Impuls viel weiterhelfen. Ausserdem hilft es sehr, sich der eigenen Situation aktiv zu stellen – je länger die Studiensituation ertragen wird, desto größer werden in der Regel die Probleme.

Eine Mentorin unterstützt dann dabei, das Fernstudium einfacher und leichter zu absolvieren, da gezielt an individuellen Herausforderungen gearbeitet wird. Häufig finden Studierende dann automatisch zu ihrer (Anfangs-)Motivation zurück.

Marcus: Kannst du an dieser Stelle einige grundsätzliche Strategien und Empfehlungen an Studierende aussprechen, damit sie ihre Motivation über die Dauer des (Fern-)Studiums möglichst lange aufrechterhalten, respektive wiederfinden, können?

Manuela: Ich denke, es ist wichtig, erst einmal die grundlegende Motivation klarzumachen: wo möchte ich in 1,3,5 oder 10 Jahren persönlich und beruflich stehen? Ein Fernstudium liefert hier wertvolle Impulse und stellt Weichen für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung.

Wenn ich mir schon zu Beginn meines Studiums klarmache, wo die Reise hingehen soll, dann ist es einfacher, meine Motivation auch langfristig aufrechtzuerhalten. Gerne auch für die Phasen, in denen es schwerer ist.

Wenn ich mir schon zu Beginn meines Studiums klarmache, wo die Reise hingehen soll, dann ist es einfacher, meine Motivation auch langfristig aufrechtzuerhalten.

Foto oben: @alessioboscofotografie

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