Erfahrungsbericht: Abitur auf dem zweiten Bildungsweg
Abitur auf dem zweiten Bildungsweg - ist das zu schaffen? Ja, es ist zu schaffen! Der lebende Beweis dafür bin ich, Christian, 28 Jahre jung, Student der Wirtschaftswissenschaften und stolzer Abitur-Absolvent des Jahres 2003. Mein Abi habe ich über einige Umwege erreicht, nicht auf dem ganz normalen Weg, wie ihn die meisten anderen beschreiten, dafür auf sehr interessante und lehrreiche Weise. Mit diesem Beitrag will ich berichten, wie ich die Abiprüfungen geschafft habe, und vielleicht andere, die in einer ähnlichen Lage sind, wie ich es damals was, dazu motivieren, ihr Leben in die Hand zu nehmen.
Inhalt
- Als Gymnasiast auf der Realschule
- Abitur abgebrochen, kurz vor dem Ziel
- Lösung: Der zweite Bildungsweg und das Externenabitur
- Alleine lernen für das Abitur
- Sprache lernen: Russisch
- Die ersten 4 Prüfungen
- Zivildienst und 4 weitere Prüfungen
- Warum ich es geschafft habe
- Meine Empfehlung: Fernabitur
- Kommentare (14)
Als Gymnasiast auf der Realschule
Das Abitur habe ich im Prinzip 2 Mal abgebrochen. Und das, obwohl ich seit der fünften Klasse auf dem Gymnasium gewesen bin und sicher nicht zu den schlechtesten Schülern gehört hatte. Weil ich aber pubertäre Flausen im Kopf hatte und mir vonseiten meiner Eltern viele Freiheiten gewährt wurden, ging ich aber in der 9. Klasse ab, auf eine Realschule, um dort den Realschulabschluss zu machen.
Für einen „Gymmi“ war die Realschule natürlich eine ganz besondere Erfahrung, schon allein, weil dort eine ganz andere Lernatmosphäre herrschte. Dort war ich einer der besten Schüler, was mich stark motivierte. Das Lernen dort machte Spaß und ich schaffte letztendlich einen sehr guten Abschluss mit einem Schnitt von 1,7.
Weil ich so gut gewesen war und auch studieren wollte, beschloss ich ’99 oder 2000, wieder auf das Gymnasium in die Oberstufe (die in meinem Bundesland mit der 10. Klasse begann) zu wechseln und das Abitur zu machen. Ich war dort wieder einer der guten Schüler, ein wenig älter als meine Mitschüler, das Lernen machte Spaß. Jedenfalls bis zur Mitte der 11. Klasse. Da kam ich irgendwie ins Schleudern und fragte mich, ob es wirklich das ist, was ich will – Abitur, Studium, Wissenschaft usw. Solche Zweifel sollten normalerweise nicht so einfach aus dem Gleichgewicht bringen, mich brachten sie aber dazu, dass ich das Abi abbrach. Zum 2. Mal und von einem Tag auf den anderen. Woran es lag? Schwer zu sagen, am ehesten sicher an persönlicher Unreife und, einem doch zu hohen Maße an eigener Entscheidungskraft für diese Belange.
Abitur abgebrochen, kurz vor dem Ziel
Dass es ein Fehler gewesen war, 1,5 Jahre vor dem Ziel das Abi abbzubrechen, merkte ich ziemlich schnell. So etwa 2 Monate, nachdem ich es abgebrochen hatte. Oder waren es 2 Wochen?
Und ich bereute den Fehler. So sehr, dass ich versuchte, an einer anderen Schule unterzukommen und das Schuljahr einfach noch einmal zu machen – doch keine Schule wollte mich mehr. Das hat mich echt zum Verzweifeln gebracht damals, verdammt, ich sah meine alten Klassenkameraden, wie sie munter Tag für Tag weiterlernten und auf das Studium zusteuerten, ich sah mein Studium, das ich mir so sehr erwünscht hatte, nur noch in weiter Ferne.
Lösung: Der zweite Bildungsweg und das Externenabitur
Irgendjemand brachte mich dann darauf, dass ein Abitur auch auf dem zweiten Bildungsweg als Prüfung zu absolvieren ist, z. B. an einer Abendschule. Ein paar Tage besuchte ich auch eine Abendschule, aber die befand sich in einer Nachbarstadt und da jeden Abend hinfahren, das war auch nicht das Wahre.
Ich informierte mich genauer und fand heraus, dass man an der Externenprüfung einfach so teilnehmen kann, wenn man bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Ich konnte mir sogar aussuchen, ob ich die 8 Prüfungen innerhalb von 1 Jahr oder innerhalb von 2 Jahren absolvieren möchte. Als ich den Antrag zur Zulassung stellte, was es glaube ich Sommer, die nächsten Prüfungen fanden etwa ein dreiviertel Jahr später statt.
Alleine lernen für das Abitur
Um das deutlich zu machen: Ich war an keiner Schule, hatte keine Lehrer. Dem Prüfungsamt gegenüber musste ich darlegen, wie ich mich vorbereite. Von ehemaligen Mitschülern hatte ich ein paar Lehrbücher bekommen, weitere Lehrbücher kaufte ich mir. In Massen kaufte ich mir die Dinger, die meisten wohl für Mathe, Übungsbücher in rauen Mengen, denn der Mathestoff schien mir verdammt kompliziert.
In Mathe bin ich immer sehr schlecht gewesen, in 1,5 Jahren Oberstufe Analysis und Stochastik und wie das ganze Zeug heißt hatte ich Mathe geradezu hassen gelernt. Aber während ich mich alleine auf die Prüfungen vorbereitete, Tag für Tag Übungsbücher mit Lösungen durcharbeitet, fand ich sogar Gefallen an Mathe; jedes Mal ein gutes Gefühl, wenn ich eine Aufgabe wieder richtig gelöst hatte.
Sprache lernen: Russisch
Jeder Externenschüler wird in 2 Fremdsprachen geprüft: in Englisch und in einer weiterer Wahlsprache. Ich entschied mich für Russisch, weil ich von der 7. bis zur 9. Russischunterricht hatte und noch ein wenig konnte. Russisch habe ich auch über Monate gepaukt, wie Mathe: Vokabelprogramme genutzt, Lehrbücher von vorne nach hinten durchgearbeit, Filme geschaut usw. Fremdsprachen habe ich immer mit Leichtigkeit gelernt, das war mein Glück, ich kann mir vorstellen, dass andere mehr Probleme mit der zweiten Fremdsprache beim Abi-Nachholen haben.
Die ersten 4 Prüfungen
Meine Fächer waren so verteilt: Leistungsfächer Deutsch und Geschichte (jeweils schriftlich), Grundfächer Mathe (schriftlich), Russisch (schriftlich), Englisch (mündlich), Physik (mündlich), Ethik (mündlich), Bio (mündlich).
Im ersten Jahr wurde ich in Mathe, Deutsch, Bio und Englisch geprüft. Ich hatte eigentlich fast nur für Mathe gelernt, jeden Tag geübt wie ein Bekloppter. Mathe ist ein reines Übungsfach, je mehr Übung, desto besser. Dass ich eine 4 schaffte, darauf war ich richtig stolz, zumal ich auch mit Mathe 5 damals abgegangen war. Deutsch und Englisch waren kein Problem, dafür lernte ich fast gar nicht, für Bio fing ich erst 2 bis 3 Monate vor der Prüfung an zu lernen.
Zivildienst und 4 weitere Prüfungen

Im zweiten Jahr war ich bereits mitten im Zivildienst, den ich parallel zum Lernen begonnen hatte. Meine Stelle war sehr günstig: Ich musste immer 1 Woche arbeiten und hatte dann wieder 1 Woche frei. Die Arbeitswochen waren abwechselnd 12 Stunden Tagschicht und 12 Stunden Nachtschicht. Insbesondere in den Nachtschicht-Wochen konnte ich mich gut vorbereiten, denn ich hatte nur so etwas wie Bereitschaftsdienst, den ich die meiste Zeit im Büro verbrachte.
Ich setzte mich dann immer mit Laptop hin und arbeitete meine Lernübersichten aus. Im Prinzip lernte ich auch gar nicht, das tat ich immer erst kurz vor den Prüfungen, sondern ich arbeitet die ganze Zeit an meinen Lernmaterialen. Für jedes Fach exzerpierte ich quasi die wichtigsten Lehrbücher und brachte den Stoff so auf etwa 10 bis 20 Word-Seiten, in Stichpunktform.
Die Prüfungen in Geschichte und Russisch waren eigentlich kein Problem für mich, wenn auch die Noten nicht die besten war. Für die mündliche Physikprüfung hatte ich allerdings erst sagen und schreibe 1 Woche vorher angefangen zu lernen! *Lol* 1 Woche! Für den Stoff von 3 Schuljahren! Die Prüfer waren dann aber so nett, mir 1 Punkt für Kenntnisse zu geben, die ich tief aus meinen Gedächtnis hervorgrub und die noch aus Zeiten der Realschule waren. Die allerletzte Prüfung war die mündliche Ethik-Prüfung. Das war zufällig auch mein Geburtstag, mitten im Sommer. Ich weiß nicht mehr, worum es ging, aber ich bekam 13 Punkte. Die Prüfer gratulierten mir zur bestandenen Prüfung, zum bestandenen Abi und zu meinem Geburtstag.
Alter Schwede, war das ein Freudentag! Das war 2003. Heute haben wir das Jahr 2009 und ich studiere immer noch, erst Geschichte, Philosophie, Literaturwissenschaften und Kulturwissenschaften, jetzt Wirtschaftswissenschaften ;-)
Warum ich es geschafft habe

Dass ich das alles geschafft, ohne Unterricht, ohne Lehrer und das ganze Gedöns ist einfach zu erklären.
- Ich hatte einen enormen Willen, das zu schaffen.
- Ich hatte weitreichende Vorkenntnisse, nicht nur durch das Gymnasium 5. bis 9. Klasse, sondern auch durch 1,5 Jahre Oberstufe.
- Ich bin stark autodidaktisch veranlagt und lerne am liebsten im stillen Kämmerchen für mich allein. Wenn ich etwas nicht verstehe oder nicht weiß, finde ich nach einer Weile immer die richtigen Informationen, die mir zum Verständis gefehlt haben.
- Ich habe gelernt, zu lernen, und mir eine genau auf mich zugeschnittene Lerntechnik entwickelt.
- Ich hatte Glück. Der seidene Faden „Physik-Prüfung“ hätte mir das Abitur-Genick brechen können. Mein Gesamtdurchschnitt beträgt 3,6, mit 3,7 wäre ich durchgerauscht!
Ich empfehle niemandem, sein Abitur auf diese Art und Weise zu machen. Es ist einfach zu risikobehaftet. Die Themengebiete sind sehr umfangreich, Ihr müsst Stoff aus 2 oder 3 Schuljahren lernen, verstehen und anwenden. In einem Fach wie Mathe ist das ohne entsprechende Vorbildung nahezu unmöglich. Auch Physik hat es in sich. Deutsch fällt vielen sehr schwer.
Meine Empfehlung: Fernabitur
Ich empfehle jedem, der so autodidaktisch wie ich lernen möchte, ein Fernabitur in Anspruch zu nehmen, wenn er nicht an eine Volkshochschule gehen kann oder will. Ein Fernabi vermittelt den ganzen Stoff systematisch, Schritt für Schritt. Die Lehrer und Tutoren haben viele Jahre Erfahrung darin, Schüler auf die Externenprüfung vorzubereiten. Die Lernmaterialien sind auf die speziellen Bedürfnisse des zweiten Bildungswegs zugeschnitten.
Mit einem Fernstudium Abitur wird das Abi nicht zum Glücksspiel, sondern geplant und systematisch angegangen. Die Chance, es zu packen, ist um einiges höher.
Die 2 oder 3 Jahre gehen letztendlich auch schneller um, als man denkt, wenn man einmal angefangen hat. Und danach? Natürlich studieren gehen! Ich studiere heute immer noch ...
Weitere Infos zum Fernabitur findet ihr hier.
Kommentare
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wie konntest du deine Vorbereitung nachweisen, wenn du an nichts teilgenommen hast?
Im Alleingang - das ist echt Spitze. Dein Bericht hat mich sehr motiviert. In welcher Stadt hast Du denn Dein Abitur gemacht?
habe das Abitur in Thüringen gemacht, um 2003 rum. Freut mich, wenn das motiviert.
Ich hatte nur eine Fremdsprache, Englisch, so lang. Heißt das, dass ich die Prüfung nicht machen darf?
Ich hab der Senatsverwaltung schon geschrieben, und warte auf deren Antwort.
Aber ich dachte mir, ich schau in der Zwischenzeit mal so im Internet, was die Leute dazu sagen
Wenn du die Fernabi-Variante wählst, bekommst du alle Materialien von deiner Schule.
Wenn du auf ein Abendgymnasium gehst, wird man dir mitteilen, welche Bücher du brauchst.
Wenn du es machst wie ich, also vollständig auf eigene Faust, solltest du dich mit Abiturienten in deiner Stadt, in der du die Prüfung ablegst, in Verbindung setzen, die können dir zeigen, welche Bücher sie nutzen.
kann mir dann vielleicht auch jemand sagen, wie im speziellen in bayern die zulassungsvoraussetzungen für die externenprüfung abitur aussehen oder wo ich mich da hinwenden kann. ich habe das gymnasium nach der 12. klasse verlassen und mache momentan meine ausbildung zur krankenschwester, was ich allerdings nicht immer bleiben möchte, sondern ich würde mich gerne im bereich lehramt latein/mathe ansiedeln. also es wäre wirklich sehr nett wenn ihr mir helfen könntet.
du musst dich an dein zuständiges Schulamt wenden, die geben die verlässliche Infos. Ansonsten schau doch mal im Fernabitur-Forum unter https://www.fernstudi.net/forum/fernabitur/ vorbei, dort kannst du alles fragen zum Thema Externenabitur.
Hinweis: Weitere Fragen bitte nur noch dort im Forum stellen, dort sind einfach ausführlichere Antworten möglich und viele Antworten finden sich dort auch.
informiere dich bitte einfach bei deinem zuständigen Schulamt, die können dir die genauen Voraussetzungen nennen. Dort stellst du auch den Antrag.
Weitere Hilfe bekommst du auch in diesem Forum für Fernabiturienten (und Externenabiturienten): https://www.fernstudi.net/forum/fernabitur/
Wenn ja hätte ich da noch ein paar Fragen.
habe mein Abi in Thüringen gemacht.