Bildungssystem und Hochschulen im Visier: Zunehmende Instrumentalisierung von Literatur durch Neue Rechte
Forschende der Universität Stuttgart haben in einer aktuellen Analyse aufgezeigt, wie intensiv die Neue Rechte Literatur als Mittel zur ideologischen Einflussnahme nutzt. Mittels gezielter Instrumentalisierung von Prosa und Lyrik versucht diese politische Strömung, kulturelle Deutungshoheit zu erlangen und in verschiedene gesellschaftliche Milieus vorzudringen. Ein Themenheft in der Deutschen Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte bietet tiefere Einblicke in die Strategien und Entwicklungen der neurechten Literaturpolitik.
Die Wissenschaftler der Universität Stuttgart haben im Rahmen des Projekts "Neurechte Literaturpolitik" festgestellt, dass Literaturpolitik im 21. Jahrhundert zu einem zentralen Bestandteil neurechter Strategien avanciert ist. Torsten Hoffmann, Professor für Neuere deutsche Literatur, betont, dass neurechte Think Tanks Literatur nicht mehr nur als Nebenschauplatz betrachten, sondern aktiv zur ideologischen Beeinflussung einsetzen. Sowohl Werke von neurechten Autoren als auch Bücher aus dem klassischen und modernen Kanon werden für diese Zwecke genutzt.
Ein Ziel der Neuen Rechten sei es, in neue Milieus, wie die akademische Welt oder das literaturinteressierte Bildungsbürgertum, vorzustoßen. Dazu, so Hoffmann, seien in den vermeintlich literaturbezogenen Texten oft deutlich radikalere Ansichten versteckt als in ausdrücklich politischen Essays. Diese "metapolitische" Strategie zielt nicht auf kurzfristige politische Erfolge, sondern strebt eine langfristige ideologische Beeinflussung der Gesellschaft an.
Besonders das Bildungssystem und universitäre Kreise geraten zunehmend in den Fokus neurechter Bemühungen. Literaturklassiker wie „Fahrenheit 451" von Ray Bradbury werden von der Neuen Rechten im eigenen Sinne umgedeutet, um vermeintliche Meinungsdiktaturen zu kritisieren und sich selbst als Freiheitsbewegung zu stilisieren. Laut Torsten Hoffmann sei diese Entwicklung neu, obwohl Bestrebungen, kulturell-politische Felder zu besetzen, schon länger beobachtet wurden.
Hoffmann und sein Team sehen in diesen Erkenntnissen ein "neues und hochaktuelles Thema", das sich dynamisch entwickelt und zu dem auch zukünftige wissenschaftliche Arbeiten in Kooperation mit Politik-, Sozial- und Geschichtswissenschaftlern geplant sind. Trotz der zunehmenden Aktivität in Bildungssystemen und unter Intellektuellen hoffe die Gruppe um Professor Torsten Hoffmann noch, dass es sich hierbei nicht um ein Massenphänomen handelt.
Der Artikel „Neurechte Literatur und Literaturpolitik“ von Nicolai Busch, Torsten Hoffmann und Kevin Kempke wurde in der Deutschen Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte publiziert und liefert weitere Einblicke in die komplexen Zusammenhänge neurechter Literaturstrategien. Der wissenschaftliche Beitrag behandelt die Entwicklung der neurechten Literaturpolitik seit den 1950er Jahren und beleuchtet aktuelle Tendenzen sowie die Rolle des Geschichtsrevisionismus. Das Forschungsprojekt "Neurechte Literaturpolitik" wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und läuft seit 2023 bis mindestens 2026.
Quelle: Pressemitteilung vom 12.03.2025
Veröffentlicht am 12.03.2025 11:09 von Marcus Schütz, Fachredakteur
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