Beruf & Karriere

Fernstudium + Beruf + Familie? Das kann doch nicht gut gehen!

Ich lese immer wieder von Fernstudenten und Studenteninnen, die ihr Studium neben dem Beruf absolvieren und gleichzeitig noch eine Familie managen. Und frage mich dann immer, wie das funktionieren soll, dass man in seinem Beruf 9 to 5 voll da ist, dass man für seine Familie voll da ist, und dass man nebenher noch den deftigen „Workload“ absolviert, den einem die Hochschule auferlegt. Das geht doch gar nicht alles gleichzeitig gut, oder?

Vollzeitjob, Teilzeitstudium, Teilzeitfamilie, Teilzeitleben

Ein schönes Beispiel für den Versuch, Fernstudium mit Beruf und Familie zu vereinen, ist ein Testimonial von Studierenden der APOLLON-Hochschule, das ich hier gelesen habe. Auszug:

In unserem Bekanntenkreis werden wir oft ungläubig angeschaut und müssen uns der Frage stellen, warum wir uns diesem Stress aussetzen. Es ist kein Stress – ein Fernstudium bietet die Flexibilität, das Lernen in den Alltag zu integrieren, ohne zusätzliche Belastungen. Klar bedarf es einer guten Organisation und gegenseitige Abstimmung, gerade auch weil unsere Zwillinge erst 15 Monate alt sind und wir sie noch zu Hause betreuen. Am Abend, wenn alle Kinder im Bett sind, fängt bei uns die Hauptarbeitszeit und Lernzeit an – moderne Technik und Medien ermöglichen uns, tagsüber flexibel auf Arbeitsereignisse zu reagieren, doch meistens sind wir in dieser Zeit für die Kinder da. Vormittags ist entspannt, wenn die großen Jungs (6 Jahre und 5 Jahre) in der Schule bzw. Kindergarten sind und die Kleinen dann ihren Vormittagsschlaf halten. Mit der Ruhe im Haus lässt es sich abends konzentriert arbeiten und lernen.

Ich habe wirklich großen Respekt dafür, wie das zitierte Ehepaar offensichtlich diesen voll beladenen Alltag mit 4 Kindern, Arbeit und Studium erfolgreich stemmt.

Interessant dabei ist, dass es sich hier um ein Studium im Gesundheitsbereich handelt. Gut möglich, dass die beiden früher oder später auf Studien stoßen, die belegen bzw. darauf hinweisen, dass Bildschirm- und Kunstlicht am Abend sich negativ auf erholsamen Schlaf auswirkt (Beispiel). Und dass schlechter Schlaf sich deutlich auf die Lernfähigkeit und alle möglichen anderen gesundheitlichen Parameter auswirkt (vgl. hier). 

Wenn man von einem wöchentlichen Aufwand von 20 Stunden ausgeht, der für das Master-Fernstudium Health Management an der APOLLON-Hochschule über die Dauer von 3 Semestern angegeben wird, könnte der Alltag (des Studierenden) werktags so aussehen:

  • Aufstehen halb 6, nach kaum 6 Stunden Schlaf, Kinder fertigmachen und in die Schule bzw. in den Kindergarten bringen
  • Vollzeitjob bis 17 Uhr (ob nun im Büro oder in Form von Kinderbetreuung, das wird im oben erwähnten Testimonial nicht ganz klar)
  • 17:30 bis 19 Uhr Familie
  • 19 Uhr bis 23 Uhr lesen, lernen, ggf. Hausarbeiten schreiben usw.

Da ist noch nicht die Zeit mit reingerechnet, die benötigt wird, um Alltagsdinge zu erledigen – Einkaufen, Haushalt, Ämtergänge usw. Einiges davon wird dann sicher auf das Wochenende verschoben. Entsprechend ist auch das Wochenende eher weniger für die Familie als vielmehr für die liegengebliebene Arbeit da.

Zusammengerechnet kommt da für den Studierenden kaum ein voller Tag pro Woche zusammen, den er ausschließlich mit seinen Kindern und seiner Frau verbringt. Work-Life-Balance sieht für mich anders aus.

Workaholics: Arbeiten und studieren, nur um zu arbeiten und zu studieren

Aus Perspektive der Type A and Type B personality theory würde man mich sicher auf der A-Seite einordnen: ambitioniert, ehrgeizig, manchmal ungeduldig, leistungsbereit, effizienzgetrieben, kompetitiv. Der Theorie nach neigen solche Persönlichkeiten eher zu Herz- und Gefäßkrankheiten als die entspannteren Typ-B-Menschen. 

Deshalb ist mir Ruhe extrem wichtig. Mit Ruhe meine ich nicht nur erholsamen Schlaf, sondern auch Zeit, die ich draußen verbringe, und vor allem Zeit, die ich mit meiner Familie verbringe. Sogenannte quality time. Alles, was ich tue, läuft darauf hinaus, mehr von dieser Zeit zu haben. Mehr Ruhe, mehr Entspannung, mehr Familie, mehr vom Leben. 

Ich weiß aber auch sehr gut, wie es sich anfühlt, wenn man Workaholic ist. Dann läuft alles, was man tut, darauf hinaus, noch mehr zu arbeiten, noch mehr zu schaffen. Und damit noch weiter weg zu sein, vor dem, vor dem man vielleicht Angst hat. Eine belastende Partnerschaft zum Beispiel. Kinder, die sich nicht so entwickeln, wie man sich das vorstellt. Eltern, die einen unter Druck setzen. Oder Einsamkeit.

Ich will darauf hinaus, dass man sich in so ein Fernstudium neben Beruf und Familie auch verrennen kann. Dass man weniger aus wissenschaftlicher Neugier studiert als vielmehr, um seine Arbeitssucht zu befriedigen. Oder um vor zwischenmenschlichen Herausforderungen zu flüchten. 

Die wichtigen Dinge im Leben

Zumindest für mich wichtiger als Fernstudium, Job & Karriere: Spaziergänge und frische Luft

Deshalb mein weiser Rat für alle Fernstudium-Workaholics: Einmal tief durchatmen ☝ Am besten im Wald oder am Meer. Und darüber nachdenken: Was sind die wichtigen Dinge in meinem Leben? Job & Karriere? Das nächste und übernächste Abschlusszertifikat? Oder Gesundheit und Familie?

Job & Co. sind für mich definitiv wichtig. Sehr wichtig. Aber Gesundheit, Familie, Freunde, das ist das, was für mich wirklich zählt. Alles andere ist Mittel zu diesem Zweck. Ich will nicht später mal bereuen, dass ich die wichtigen Dinge vernachlässigt habe, weil ich Angst vor ihnen hatte.

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